Der Horizont ist bei der graden Kugel ein anderer als bei der schiefen. Horizont der graden Kugel heisst nämlich derjenige, gegen welchen der Aequator senkrecht steht, oder welcher durch die Pole des Aequators geht. Horizont der schiefen Kugel nennen wir denjenigen, gegen welchen der Aequator geneigt ist. Am graden Horizonte geht also Alles auf und unter, und Tage und Nächte sind gleich; denn dieser Horizont halbirt alle parallel mit der täglichen Bewegung beschriebenen Kreise, indem er durch ihre Pole geht; und es trifft hier Alles das zu, was wir schon über den Meridian entwickelt haben. Wir rechnen aber hier den Tag vom Aufgange der Sonne bis zu ihrem Untergange, nicht wie im gemeinen Leben von der Helligkeit bis zur Dunkelheit, d. h. von der Morgendämmerung bis zum Lichtanzünden; hierüber werden wir jedoch beim Auf- und Untergange der Sternenbilder noch mehreres sagen. Wo dagegen die Erdaxe senkrecht gegen den Horizont steht, geht Nichts auf oder unter, sondern Alles bleibt, während es sich im Kreise bewegt, immer sichtbar, oder unsichtbar, ausser demjenigen, was eine andere Bewegung heraufführt, wie z. B. die jährliche Bewegung um die Sonne, woraus folgt, dass dort der Tag ein halbes Jahr hindurch ununterbrochen dauert, und dass die übrige Zeit Nacht ist; und dies dient zu weiter nichts als zum Unterscheiden von Winter und Sommer, weil dort der Aequator mit dem Horizonte zusammenfällt. Aber bei der schiefen Kugel geht Einiges auf und unter, Einiges bleibt immer sichtbar oder unsichtbar, während Tage und Nächte ungleich werden. Wo ein schiefer Horizont existirt, berührt er zwei Parallelkreise, nach Maassgabe seiner Neigung, von denen derjenige, welcher dem sichtbaren Pole zu liegt, das immer Sichtbare, und der andere, welcher dem unsichtbaren Pole zu liegt, das immer Unsichtbare begrenzt. Der in die ganze Breite zwischen diese Grenzen fallende Horizont theilt alle dazwischen fallende Parallelkreise in ungleiche Bogen, ausser den Aequator, weil dieser der grösste Parallelkreis ist, und grösste Kreise sich gegenseitig halbiren. Der schiefe Horizont schneidet in der oberen Halbkugel von den nach den sichtbarem Pole zu liegenden Parallelkreisen grössere Bogen ab, als von denen, welche nach dem südlichen und unsichtbaren Pole zu liegen, und umgekehrt in der unsichtbaren Halbkugel; und da die Sonne in diesen Bogen bei der täglichen Bewegung erscheint, so bewirkt dies die Ungleichheit der Tage und Nächte.
Es giebt auch Unterschiede zwischen den mittägigen Schatten, wonach Einige Periskier, Andere Amphiskier, noch Andere Heteroskier genannt werden. Die Periskier können wir Ringsumschattende nennen, indem sie
Nicolaus Copernicus: Nicolaus Coppernicus aus Thorn über die Kreisbewegungen der Weltkörper. Ernst Lambeck, Thorn 1879, Seite 68. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kreisbewegungen-Coppernicus-0.djvu/96&oldid=- (Version vom 1.8.2018)