dass einige ungleichmässige Bewegungen aus ihnen zusammengesetzt werden können, haben dennoch daraus nichts Gewisses festzustellen vermocht, was unzweifelhaft den Erscheinungen entspräche. Diejenigen aber, welche die excentrischen Kreise ersannen, obgleich sie durch dieselben die erscheinenden Bewegungen zum grossen Theile mit zutreffenden Zahlen gelöst zu haben scheinen, haben dennoch sehr Vieles herbeigebracht, was den ersten Grundsätzen über die Gleichmässigkeit der Bewegung zu widersprechen scheint. Auch konnten sie die Hauptsache, nämlich die Gestalt der Welt und die sichere Symmetrie ihrer Theile weder finden, noch aus jenen berechnen. Es ging ihnen so, als wenn Jemand von verschiedenen Orten her Hände, Füsse, Kopf und andere Glieder, zwar sehr schön, aber nicht im Verhältnisse zu einem einzigen Körper gezeichnet, nähme und, ohne dass sie sich irgend entsprächen, vielmehr ein Monstrum, als einen Menschen daraus zusammensetzte. Daher zeigt es sich, dass sie in dem Gange des Beweises, den man Methode nennt, entweder etwas Nothwendiges übergangen, oder etwas Fremdartiges und zur Sache nicht Gehörendes hinzugesetzt haben; was ihnen gewiss nicht widerfahren wäre, wenn sie sichere Principien befolgt hätten. Wenn aber ihre angewandten Hypothesen nicht trügerisch wären, so hätte sich Alles, was daraus folgt, unzweifelhaft bewährt. Es mag das, was ich hier sage, dunkel sein, es wird aber seines Ortes klar werden.
Als ich nun diese Unsicherheit der mathematischen Ueberlieferungen über die zu berechnenden Kreisbewegungen der Sphären lange mit mir überlegt hatte, begann es, mir widerlich zu werden, dass die Philosophen, welche in Bezug auf die geringfügigsten Umstände jener Kreisbewegung so sorgfältig forschten, keinen sichern Grund für die Bewegungen der Weltmaschine hätten, die doch unsertwegen von dem besten und gesetzmässigsten aller Meister gebaut ist. Daher gab ich mir die Mühe, die Bücher aller Philosophen, deren ich habhaft werden konnte, von Neuem zu lesen, um nachzusuchen, ob nicht irgend Einer einmal der Ansicht gewesen wäre, dass andere Bewegungen der Weltkörper existirten, als Diejenigen annehmen, welche in den Schulen die mathematischen Wissenschaften gelehrt haben. Da fand ich denn zuerst bei Cicero[1], dass Nicetus geglaubt habe, die Erde bewege sich. Nachher fand ich auch bei Plutarch[2], dass einige Andere ebenfalls dieser Meinung gewesen seien; seine Worte setze ich, um sie Jedem vorzulegen, hierher: „Andere aber glauben, die Erde bewege sich: so sagt Philolaus, der Pythagoräer, sie bewege sich um das Feuer in schiefem Kreise, ähnlich wie die Sonne und der Mond; Heraklid von Pontus und Ekphantus, der Pythagoräer, lassen die Erde sich zwar nicht fortschreitend, aber doch nach Art eines Rades, eingegrenzt zwischen Niedergang und Aufgang um ihren eigenen Mittelpunkt bewegen.“
Hiervon also Veranlassung nehmend, fing auch ich an, über die Beweglichkeit der Erde nachzudenken, und obgleich die Ansicht widersinnig schien, so that ich’s doch, weil ich wusste, dass schon Anderen vor mir die
Anmerkungen [des Übersetzers]
- ↑ [5] 3) Nicht Nicetus oder Nicetas, sondern Hicetas. Der wahre Name dieses Pythagoräers ist: Ἱϰέτης, oder dorisch: Ἱϰέτας. So lautet er beim Diogenes Laertius. Vergl. Ideler, Ueber das Verhältniss des Copernicus zum Alterthum, p. 27. Die Stelle, auf welche sich hier Copernicus bezieht, findet sich bei Cicero, Academicae quaestiones Lib. IV. Cap. 29 und lautet: „Nicetas Syracusius, ut ait Theophrastus, caelum, solem, lunam, stellas, supera denique omnia stare censet: neque praeter terram, rem ullam in mundo moveri quae cum circum axem se summa celeritate convertat et torqueat, eadem effici omnia, quasi stante terra caelum moveretur. Atque hoc etiam Platonem in Timaeo dicere quidam arbitrantur, sed paullo obscurius.“ — Zu deutsch: — Der Syracuser Nicetas hält dafür, wie Theophrast sagt, dass der Himmel, die Sonne, der Mond, die Sterne, endlich alles über der Erde Befindliche, stillstehe, und dass sich Nichts in der Welt bewege, ausser der Erde. Während diese sich mit der grössten Geschwindigkeit um ihre Axe wälze und drehe, werde Alles ebenso bewirkt, als ob sich bei stillstehender Erde der Himmel drehe. Einige sind der Ansicht, dass dies auch Plato im Timäus sage, aber etwas dunkler. — Ueber des Hicetas Ansichten vergl. auch Diogenes Laertius, Vitae philosophorum VIII, 85.
- ↑ [5] 4) Diese Stelle findet sich: Plutarchus, Chaeronensis, Περὶ τῶν ἀρεσϰόντων τοῖς φιλοσόφοις . βιβλίον τρίτον. Περὶ ϰινήσεως γῆς . ιγ'. seu De placitis philosophorum Lib. III. Cap. 13.
Nicolaus Copernicus: Nicolaus Coppernicus aus Thorn über die Kreisbewegungen der Weltkörper. Ernst Lambeck, Nürnberg und Thorn 1879, Seite 6. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kreisbewegungen-Coppernicus-0.djvu/34&oldid=- (Version vom 1.8.2018)