Seite:Kreisbewegungen-Coppernicus-0.djvu/161

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Capitel 2.
Geschichte der Beobachtungen, welche beweisen, dass das Vorrücken der Nachtgleichen und Sonnenwenden ungleichförmig sei.

In der ersten 76jährigen Periode des Callippus, im 36sten Jahre derselben, welches das 30ste Jahr seit dem Tode Alexander’s[1] war, verzeichnete der Alexandriner Timochares[2], der sich zuerst um die Oerter der Fixsterne bekümmerte, dass die Spica, welche die Jungfrau hält, um 82⅓° vom Sonnenwendepunkte abstehe und eine südliche Breite von 2° habe: und dass dem Sterne, welcher von den dreien in der Stirn des Scorpiones der nördlichste, und in der Ordnung der Bildung dieses Sternbildes der erste ist, eine Breite von 1⅓° und eine Länge von 32° von dem Herbstnachtgleichenpunkte zukomme. Und im 48sten Jahre[3] derselben Periode fand er die Länge der Spica der Jungfrau zu 82½° von der Sommersonnenwende, während die Breite dieselbe geblieben war. Hipparch aber fand im 50sten Jahre der dritten Callippischen Periode, also im Jahre 196 nach Alexander[4], den Stern, welcher in der Brust des Löwen Regulus genannt wird, vom Sommersonnenwendepunkte 29½° und ⅓° abstehend. Darauf gab der römische Geometer Menelaus im ersten Jahre des Kaisers Trajan, welches das 99ste nach Christo, und das 422ste nach Alexanders Tode war, den Abstand der Spica der Jungfrau zu 86¼° Länge an; den Stern in der Stirn des Scorpion’s aber zu 36° weniger 1/12° vom Herbstnachtgleichenpunkte. Diesem folgte Ptolemäus, im zweiten Jahre des Antoninus Pius, welches das 462ste Jahr nach Alexanders Tode[5] war; er behauptet, die Länge des Regulus im Löwen zu 32½° vom Sonnenwendepunkte, die der Spica zu 86⅔°, und die des Sternes in der Stirn des Scorpions zu 36⅓° vom Herbstäquinoctium erhalten zu haben, während sich die Breite nicht im Geringsten geändert hatte, wie sie oben in dem Verzeichnisse gegeben ist. Und diese Angaben, wie sie von Jenen überliefert sind, haben wir von Neuem untersucht. Nach einer geraumen Zeit nämlich im Jahre 1202 nach Alexanders Tode[6], folgt die Beobachtung des Mahometus Aracensis[7], dem man am meisten vertrauen darf, und in diesem Jahre zeigte sich, dass Regulus oder Basiliscus des Löwen bis 44° 5′ vom Sonnenwendepunkte, und jener in der Stirn des Scorpion’s bis 47° 50′ vom Herbstnachtgleichenpunkte gekommen waren. Bei allen diesen blieb die Breite jedes Sternes dieselbe, so dass man hierüber keinen Zweifel mehr hegt. Auch wir haben im Jahre Christi 1525, dem ersten nach einem Schaltjahre römischer Zeitrechnung, welches von dem Tode Alexanders um 1849 ägyptische Jahre[8] absteht, in Frauenburg in Preussen, die oft genannte Spica beobachtet, und schien ihre grösste Höhe im Meridiankreise nahezu 27° zu sein. Die Breite aber von Frauenburg haben wir zu 54° 19½′[9] gefunden. Daraus ergiebt sich die Declination jener zu 8° 40′[10] vom Aequator. Hiernach wird ihr Ort, wie folgt, festgestellt. Wir beschreiben den Meridiankreis durch die beiden Pole der Ekliptik und des

Anmerkungen [des Übersetzers]

  1. [16] 75) Der Anfang des ersten Hekatombäon des ersten Jahres der ersten 76jährigen Periode des Callippus fiel auf den Abend des 28sten Juni des Jahres 330 v. Chr., oder des Jahres 4384 der julianischen Periode, oder auf den Anfang des dritten Jahres der 112ten Olympiade. Die Epoche des Todes Alexanders ist für die ägyptische Zeitrechnung der alexandriner Mittag des 12ten November des Jahres 324 v. Chr., d. h. der 1ste Thoth des 425sten Jahres nach Nabonassar. — Vergl. Jdelers Untersuchungen über die astr. Beob. der Alten pag. 49. Also ist das oben im Texte bezeichnete Jahr das 294ste v. Chr. Der wirkliche Tod Alexanders ist aber wahrscheinlich den 21sten April 323 v. Chr. zu Babylon erfolgt. Ptolemäus Almagest VII. 3. giebt das Datum obiger Beobachtung mit den Worten an: Timochares rursum Alexandriae observasse scribit trigesimo sexto primae secundum Callippum periodi Elaphebolionos die 15, tybi vero die 5 tertia hora incipiente - - - et est annus 454 a Nabonassaro, tybi secundum Aegyptios, die 5 sequente sexto ante mediam noctem horis tam temporalibus, quam aequalibus 4 proxime.
    Da ein ägyptisches Jahr 365 Tage enthält, so betragen 453 ägyptische Jahre 165345 Tage
    Der 1ste Tybi ist der 121ste Tag des Jahres also haben wir am 5ten Tybi 0125
    dies ergiebt als Summe 165470 Tage.

    nach der Epoche der Aera Nabonassars; dies sind, nach julianischer Zeitrechnung, 453 julianische Jahre und 11¾ Tage. Da nun die Epoche der Aera Nabonassars der wahre Mittag zu Alexandrien also 10n 26m Vormittags mittlerer pariser Zeit am 26. Febr. des julianischen Jahres 3967 oder 747 v. Chr. ist: so addirt man obige 453 zu 3967, und erhält 4420 als das julianische Jahr der Beobachtung, und da diese Zahl durch 4 dividirt nicht den Rest 1 giebt, so ist es kein Schaltjahr, also kommen von jenen 11¾ Tagen noch 2 Tage auf den Februar, und [17] die übrigen 9¾ Tage auf den März. Das julianische Datum obiger Beobachtung ist also: a. j. 4420 oder a. 294 v. Chr. März 9. Der Monat Elaphebolion ist der neunte Monat des griechischen Jahres, also sind 8 Monate und 15 Tage vom Anfange des 36ten Callippischen Jahres verstrichen. Nun ist die Dauer eines Callippischen Monats 29d 12h 44m 2s.5, danach betragen 8 Monate: 236d 5h 52m 20s. Addirt man dazu die 15 Tage des 9ten Monats, so erhält man 251 Tage. Rechnet man nun nach julianischen Monatszahlen vom 9ten März 251 Tage zurück: so ergiebt sich als Anfang des 36ten Callippischen Jahres der 1te Juli, was mit Plutarchs Bemerkung, — Ideler a. a. O. pag. 226, — sehr gut übereinstimmt. Ideler, a. a. O. pag. 35 giebt die Reduction des ägyptischen Datums auf das julianische folgendermassen: „Das Jahr 454 nimmt am 5ten November 295 v. Chr. seinen Anfang. Der 5te Tybi ist der 125te Tag des ägyptischen, und der 5te November der 309te Tag des julianischen Jahres. 308+125−365=68. Das Jahr 294 v. Chr. ist ein Gemeinjahr und der 68te Tag des Gemeinjahres der 9te März. Die Beobachtung ist also am 9ten März 294 vor unsrer Zeitrechnung gemacht worden.“

  2. [17] 76) Die hier aufgeführten Beobachtungen finden sich im Almagest VII. 3.
  3. [17] 77) Dies würde das Jahr 282 v. Chr. nach der oberflächlichen Rechnung 330−48=82 sein. Ptolemäus giebt aber das Datum dieser Beobachtung so an: Asserit etiam, quod in 48 ejusdem periodi anno, Pyanesionos quidem desinentis die sexto, thoth autem septimo (decima hora per medium unius horae partem transacta) Spica perspiciebatur exacte borcalem partem Lunae tangere super horizontem orientis, et est annus 466 a Nabonassaro Thoth, secundum Aegyptios, septimo, sequenti octavo, ut ipse quidem scribit post mediam noctem 3.30 horis temporalibus, quae sunt aequinoctiales 4.7.30 proxime. Es sind also 465 ägyptische Jahre oder 169725 und 7 Tage des ersten Monats Thoth, also 169732 Tage seit der Epoche der Aera Nabonassar’s verstrichen; dies sind nach julianischer Rechnung 464 julianische Jahre und 256 Tage. Da nun die Epoche der Aera Nabonassars der 26te Februar 3967 ist, so erhält man durch Addition von 3967+464=4431 das julianische Jahr der Beobachtung, dies Jahr ist kein Schaltjahr, also ist der 256te Tag nach dem 26ten Februar der 9te November. Um das christlich julianische Jahr genauer, als am Anfange dieser Anmerkung zu ermitteln, haben wir 4431 von 4714 abzuziehen, und erhalten so als Datum der Beobachtung den 9ten November 283 v. Chr. Der Monat Pyanepsion ist der 5te des Jahres, 4 Callippische Monate sind 118d 2h 54m 10s nimmt man noch 6 Tage hinzu, so sind 124d 2h 54m 10s seit Anfang des 48ten Callippischen Jahres verstrichen. Rechnet man nun nach julianischen Monatstagen vom 9ten November diese 124 Tage zurück: so ergiebt sich als Anfang des 48ten Callippischen Jahres der 8te Juli.
  4. [17] 78) a. 127 v. Chr.
  5. [17] 79) a. 139 n. Chr.
  6. [17] 80) a. 879 n. Chr.
  7. [17] 81) Die Stelle, an welcher Albategnius dieselbe Untersuchung, zum Theil auf dieselben älteren Beobachtungen gestützt, wie hier Copernicus, führt, findet sich in dessen schon erwähnten Werke „de motu stellarum“ in der Nürnberger Ausgabe von 1537. Capitel 51. fol. 79, und lautet so: „Stellarum fixarum qualitates in ipsarum ortu et occasu, ac in mediando coelum, nec non in earundem mora super terram, et sub terra, in ipsarum quoque remotionibus ac propinquitatibus in singulis regionibus, hoc in libro praediximus. Fixarum vero stellarum motus super duos circuli signorum, polus est inventus. Et ex quo ipsorum motus depraehensus est nullatenus ab eo discedere, earumque latitudines similiter non sunt alteratae. Itemque inter ipsas habentur longitudines invariabiliter ex quo fuerint observatae permanserunt, ideoque stellae fixae in longitudine fixae nuncupantur. Omnium enim earum motus unus est, ac idem, ac si in eodem circulo moverentur, sive naturaliter per se ipsas moveantur, sive suo motu circulus eas ita circumvolvat, ut ab occidente in orientem ex uno esse ad aliud, quemadmodum aliarum stellarum erraticarum motus ipsas transferat. Ipsarum autem loca secundum longum et latum in Ptolemaei libro anno primo regis Antonini, qui est annus 886 a rege Nabuchodonosor invenimus in una illarum observationum per quas Ptolemaeus operatus est, fuit observatio Menelai, qua usus est anno 842 a Nabuchodonosor rege, dixitque stellam septentrionalem, quae inter duos scorpionis oculos ponitur, velut per Lunam cum sphaera circulorum experimentatus est, illo anno in 2 graduum, et 22 minutorum scorpii existere, ac secundum quod ipse in libro suo scripserat, cor Leonis illo eodem anno in 2 gradibus et sexta Leonis esse, Leumia vero in 17 gradu Geminorum esse debuerat. Nos etiam bas et alias stellas persaepe continuis annis observavimus, unaque nostrarum observationum in qua plurimum confidimus, facta est anno 1191 ad Hilcarnain, Lunam quoque et stellarum transitus per coeli medium observantes, carum ab aequidiei circulo longitudinem, [18] signorumque partes, cum quibus coelum eis mediatur, per eos transitus adinvenimus, per haec ad quas circuli signorum partes in longum et latum loca pervenerint, per hoc depraehendimus. Stellamque septentrionalem, quae inter duos scorpionis oculos circumvolvitur in 17 gradu et 20 minutorum Scorpionis, cor autem Leonis in 14 gradu Leonis invenimus, fuit autem hujus observationis annus 1627 regni Nabuchodonosor. Cumque has 11 gradus et 50 minuta, quae habentur inter primum locum et eum locum, in quo nos ipsas invenimus per 783 annos, qui sunt inter duas observationes, dividentur, earumque motus in omnibus 66 annis solaribus unius esse gradus inveniemus, et sic eos in tabulis motuum stellarum fixarum, qui per collectos et expansos annos, atque menses abstracti sunt descripsimus. Similiter etiam nos 11 gradus et dimidium ac tertiam locis, in quibus eos in Ptolemaei libro scriptos invenimus addidimus, eorumque loca anno 1191 ad Hilcarnain scripsimus. In plurimis vero stellis, quas attentius observavimus, nullam in latitudine notabilem diversitatem invenimus. Ideoque tabulas constituimus, in quibus earum in longum et latum, nec non in parte et quantitate loca posuimus, ut earundem ad quae post hunc annum loca pervenerint per suos motus, qui ex tabulis abstrahuntur cum ipsarum locis in anno 1191 superadditi fuerint, veraciter depraehendantur.“ In dem Kanon der Assyrischen und Medischen Regenten, wie denselben Jdeler im Handbuche der Chronologie I. p. 111 nach Halma giebt, wird der in den obigen Worten des Albategnius Nabuchodonosor genannte Regent, Nabocolassar geschrieben, und dazu bemerkt, dass dies der babylonische König ist, der in den hebräischen Geschichtsbüchern Nebucadnezar, bei den LXX und beim Josephus Nabuchodonosor heisst. Eine Bestätigung dieser Identität liefert auch das Datum der Beobachtung des Ptolemäus, welche in das 2te Jahr des Antoninus fällt, und sowohl in den obigen Worten des Albategnius, als auch im Texte des Copernicanischen Werkes Erwähnung findet. Dies Jahr ist das 462te nach Alexanders Tode, wie auch Copernicus richtig schreibt. Alexanders Tod fällt aber 424 Jahre nach Nabonassar, — vergl. Anm. 75), — also ist das 2te Jahr des Antoninus das 462+424=886ste Jahr nach Nabonassar, und damit in Uebereinstimmung schreibt Albategnius „annus 886 a rege Nabuchodonosor.“ Albategnius giebt seine eigene Beobachtung als „facta anno 1191 ad Hilcarnain“ an. Unter diesem „ad Hilcarnain“ wird die Philippische oder Seleucidische Aera verstanden, welche 12 Jahre nach Alexanders Tode beginnt. — Vergl. Albategnius Cap. XXX. fol. 36. a, und Jdeler, astr. Beob. d. A. p. 258. — Daher sagt auch Albateginus z. B. Cap. XXVII. fol. 27. a., dass er im Jahre 1206 nach Alexanders Tode, oder 1194 ex annis Adhilcarnain am 19 Elul oder am 3ten Pachon das Herbstäquinoctium beobachtet hat. Elul = Eilul ist der zwölfte syrische Monat, während das syrische Jahr mit dem auf den 1ten October fallenden Tesrin I begann, also ist der 19 Elul = 19 September. Im Jahre 1206 nach Alexanders Tode d. h. 1627 nach Nabonassar fiel der 1te Thoth auf den 17ten Januar, danach war der 3te Pachon ebenfalls = 19 September. Die beiden Datum-Angaben sind also in der That identisch. Die Differenz der Jahreszahlen 1206—1194 beträgt aber richtig 12. In Bezug auf die beiden Beobachtungen von α der Jungfrau und β des Scorpions durch Menelaus ist die in dem Texte des Werkes von Albategnius enthaltene Jahreszahl „842 a Nabuchodonosor“ offenbar durch einen Druckfehler unrichtig geworden. Das erste Jahr Trajan’s ist das 845te Nabonassar’s, im Ptolemäus: Alm. VII. 3 und damit übereinstimmend auch Ideler a. a. O. p. 35. richtig reducirt haben.
  8. [18] 82) 1461 ägyptische Jahre sind 1460 julianische, also 1849 ägyptische =1847,73 julianischen.
  9. [18] 83) Elias Olai Morsianus, welcher im Auftrage Tycho’s die Polhöhe zu Frauenburg untersuchte, fand 54° 22′ 30″, — vergl. A. G. Kästner: Gesch. d. Math. II. p. 391. — Gegenwärtig wird dieselbe zu 54° 21′ 34″ angegeben, — vergl. Gehler’s Lexicon X. 3. Verz. p. 145, —
  10. [18] 84) Nach des Copernicus eigener Angabe der Polhöhe von Frauenburg berechnet sich diese Declination zu 8° 40′ 30″, nach der Polhöhe 54° 21′ 34″ ergiebt sich aber 8° 38′ 26″.