Anonym: Knacker-Ede (Zeit im Bild, Jahrgang 1907) | |
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Der Transporteur versprach es. Wenn er unterwegs brav sei, dann wolle man ihm in Krotoschin die Fesseln abnehmen …
Und so wurde es gemacht. Bevor der Zug noch einlief, war Knacker-Ede schon von der Kette befreit. Der Transporteur wußte natürlich keinen Bescheid und Knacker-Ede erbot sich, ihn zu führen.
Er führte den Beamten durch die Stadt an der Rückseite eines großen Gebäudes vorbei, gab dort dem Beamten plötzlich einen wuchtigen Stoß und war, ehe es sich jener versah, in einem Parke verschwunden. Der Transporteur war ganz verdutzt. Ehe er natürlich so weit war, daß an eine Verfolgung gedacht werden konnte, war Knacker-Ede längst über alle Berge …
In zwei Stunden hatte Knacker-Ede die Grenze erreicht. Da er polnisch konnte und genau mit den Verhältnissen vertraut war, gelang es ihm leicht, die Grenze zu passieren. Knacker-Ede jubelte. Jetzt war er den ganzen Knast los. Herrgott noch einmal, hatte das geklappt.
Er wurde aber bei so viel Glück übermütig. Da das Geld auch nicht in der nötigen Menge zu haben war, dachte Knacker-Ede an einen größeren Raubzug. Bei Amtsrichter Wegener in Krotoschin würde er einbrechen. Das Ding würde schon gedreht werden. Mittwoch morgens ging der Amtsrichter zur Sitzung und die Frau einkaufen. Dann war’s Plan. Dann war nur die Lene da. Wie ihm das Herz bubberte. Die Lene, seine erste Liebste, er hatte sie schon am Tage seiner Flucht gesehen. Was die wohl sagen würde, wenn er mit einem Male da war. Ob sie ihn nicht anzeigen würde? Ach Unsinn, die Lene. Er würde am Abend bei Dunkeln kommen, der Lene gut zureden, dann würde die Sache schon ganz fein ablaufen.
Es kam aber ganz anders. Bei Amtsrichters diente die Lene schon lange nicht mehr. Und als das neue Dienstmädchen den fremden Mann in ihrer Kammer sah, schlug sie Lärm. Und ehe sich Knacker-Ede verduften konnte, hatten sie ihn. – – –
Sechs Monate bekam er. Knacker-Ede war außer sich. Sechs Monate wegen den Dreck. Was würde er nun für einen Knast zusammenbringen. Aber es kam noch schlimmer.
Schwer gefesselt brachte man ihn wieder heim. Dann ging’s sofort acht Tage in den strengen Arrest und nachher gab’s Isolierzelle.
Knacker-Ede schauderte.
Zehn Tage später saß er in seiner Zelle und zupfte Teertau. Dabei spuckte er ein Stück von dem Tau, den er als Kautabak benutzt hatte, aus und sagte:
„Nee, nee, so’n Schwein zu haben und denn doch wieder nischt.“ Und dabei schob er ein neues Stück Tau in die Backen.
Anonym: Knacker-Ede (Zeit im Bild, Jahrgang 1907). Berliner Central-Verlag, Berlin 1907, Seite 624. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Knacker-Ede.pdf/2&oldid=- (Version vom 1.8.2018)