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und allgemeine Freiheit. Das „junge Deutschland“ stand auf und schleuderte von seiner Schleuder wie weiland David Kiesel und Steine gegen den Goliath der Reaktion. Der aber stand fest und lachte dröhnend, und der Kieselregen war ihm wie Mückenschwärmen. Hin und wieder packte er sich einen kleinen David und setzte ihn hinter Festungsmauern. Das „junge Deutschland“ ist viel angegriffen worden: mit Recht und mit Unrecht. Dichterisch sind die Leistungen der politischen Lyriker um 48 meist recht armselig, Herwegh einzig schwingt sich über die andern empor „wie eine eiserne Lerche“ (Heine). Aber man hat sie gar nicht bei der Achillesferse ihrer dichterischen Leistung gepackt, man hat sie dort angegriffen, wo sie unangreifbar waren: in der Gesinnung. Die politische Lyrik der heutigen Zeit: des heutigen „jungen Deutschland“: Ehrenstein, Becher, Hasenclever, hat viele Ähnlichkeit in den Tendenzen mit der damaligen, wenngleich sie im Formalen gewichtiger geworden ist. Auch sie bieten, im künstlerischen, viele Angriffspunkte. Aber man hüte sich, wie eine gewisse Kritik auch heute es übt, sie ihrer Gesinnung wegen im Dichterischen zu beanstanden. Da sind sie, wie jene, unantastbar. Die besten politischen Gedichte haben jene gedichtet, die, wie Platen und Heine, auch „nebenbei“, nämlich in der Hauptsache, reine Lyrik waren. Sie opferten weder das Herz noch die gestaltende Kraft der politischen These und Phrase. Die Dichtung untersteht der reinen Vernunft, jener Göttin, die im absoluten Bezirke unbezwinglich thront. Politik und Kunst können sich mischen, gewiß. Ihre Vereinigung zum Gesetz erhoben, heißt Un-ding und Un-sinn zur Un-tat zwingen. Der Dichter hat die Pflicht, Politiker zu werden: vermöge seiner geistigen und moralischen Kräfte, angesichts seiner Stellung im Horizont der Menschheit. Er hat aber auch die Pflicht, Dichter zu bleiben, d. h. mythischer Diener der Wörtlichkeit und Künder des reinen Klanges. Herwegh ist gewiß eine respektable Erscheinung, aber nur von

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Klabund: Deutsche Literaturgeschichte in einer Stunde. Leipzig-Gaschwitz: Dürr & Weber, 1920, Seite 63. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Klabund_Deutsche_Literaturgeschichte_in_einer_Stunde_063.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)