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– wie es in Revolutionen immer zu sein pflegt – angewidert wegwandte). Diese Räuber wollen die ganze Welt zugrunde richten, um auf den Trümmern eine neue, bessere Welt zu erbauen. Karl Moor schreitet in mancherlei Verwandlungen durch Schillers Werke. Er ist Fiesco, der Verschwörer, der sich hier den Mantel des Monarchen um die Schulter schlägt. Er ist Ferdinand, der gegen die konventionelle Despotie und die Despotie der Konvention rebelliert. In Carlos und Marquis Posa hat sich der geistige Revolutionär gar dupliziert. Verteidigen die „Räuber“ noch die notwendige Eventualität eines gewalttätigen Umsturzes, so erscheint „Don Carlos“ dagegen, auch in der Sprache durch seine Jamben gemildert, als Drama einer geistigen Revolution. Von innen heraus sollen Staat und Menschheit, Staatsbürger und Menschen erneuert werden. „Sire, geben Sie Gedankenfreiheit“ – aus den freien Gedanken wird die freie Tat sprießen. Wie Spinoza auf Goethe, so hat das Studium der Kantschen Philosophie auf Schiller den nachhaltigsten Eindruck gemacht. Kants ethische Maximen, besonders der kategorische Imperativ, werden in seinen späteren Gedichten und Dramen immer wieder illustriert und paraphrasiert, die oft nur um der ethischen Forderung willen geschrieben scheinen. Zwölf Jahre nach dem Don Carlos, im Jahre 1799, vollendete Schiller den Wallenstein: die Schicksalstragödie des Herrscherwillens. Der Schatten des aufsteigenden Bonaparte fiel über das Werk. Auch Wallenstein ist ein Rebell aber faute de mieux[1]. Er kann einen Größeren, einen Mächtigeren nicht vertragen: denn er fühlt in sich das Prinzip der Macht regelmäßig verkörpert. Er fällt durch den Verrat seines Freundes Piccolomini. In den drei Teilen vom „Wallenstein“ ist Schillers Werk gegipfelt. Den vielen männlichen Rebellen in Schiller Dramen tritt eine Revolutionärin zur Seite: Maria Stuart: der weibliche Typ des Revolutionärs, deren Aktion – die Passion, die die revolutionäre Tat durch ein revolutionäres Herz ersetzt. Nach Maria

Anmerkungen (Wikisource)

  1. faute de mieux, (franz.): in Ermangelung eines Besseren; im Notfall
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Klabund: Deutsche Literaturgeschichte in einer Stunde. Leipzig-Gaschwitz: Dürr & Weber, 1920, Seite 43. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Klabund_Deutsche_Literaturgeschichte_in_einer_Stunde_043.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)