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Siehst du, wie sich dein Bruder Mühe giebt, aber an dir ist Hopfen und Malz verloren.“ „Ei, Vater,“ antwortete er, „ich will gerne was lernen; ja, wenns angienge, so möchte ich lernen daß mirs gruselte; davon verstehe ich noch gar nichts.“ Der älteste lachte als er das hörte, und dachte bei sich „du lieber Gott, was ist mein Bruder ein Dummbart, aus dem wird mein Lebtag nichts: was ein Häckchen werden will, muß sich bei Zeiten krümmen.“ Der Vater seufzte, und antwortete ihm „das Gruseln, das sollst du schon noch lernen, aber dein Brot wirst du damit nicht verdienen.“

Bald darnach kam der Küster zum Besuch ins Haus, da klagte ihm der Vater seine Noth, und erzählte wie sein jüngster Sohn in allen Dingen so schlecht beschlagen wäre, er wisse nichts und lerne nichts. „Denkt euch, als ich ihn fragte, womit er sein Brot verdienen wollte, hat er gar verlangt das Gruseln zu lernen.“ „Wenns weiter nichts ist,“ antwortete der Küster, „das kann er bei mir lernen; thut ihn nur zu mir, ich will ihn schon abhobeln.“ Der Vater war es zufrieden, weil er dachte „der Junge wird doch ein wenig zugestutzt.“ Der Küster nahm ihn also ins Haus, und er mußte die Glocke läuten. Nach ein paar Tagen weckte er ihn um Mitternacht, hieß ihn aufstehen, in den Kirchthurm steigen, und läuten. „Du sollst schon lernen was Gruseln ist,“ dachte er, gieng heimlich voraus, und als der Junge oben war, und sich umdrehte, und das Glockenseil fassen wollte, so sah er auf der Treppe, dem Schallloch gegenüber, eine weiße Gestalt stehen. „Wer da?“ rief er, aber die Gestalt gab keine Antwort, regte und bewegte sich nicht.“ „Gieb Antwort,“

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Brüder Grimm: Kinder- und Haus-Märchen Band 1 (1843). Göttingen 1843, Seite 18. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kinder_und_Hausm%C3%A4rchen_Grimm_1843_I_018.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)