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auf den Rand der Schüssel und fällt hinein, ohne daß sie es merkt. Er wird mit ins heiße Wasser gethan und arbeitet sich in dem Teig herum, so daß seine Mutter glaubt der Pudding wäre behext und ihn einem vorbeigehenden Kesselflicker schenkt. Der Däumling, sobald er den Teig aus dem Munde bringen kann, fängt laut an zu schreien. Der Kesselflicker voll Furcht wirft den Pudding über eine Hecke, er springt entzwei und Tom, erlöst, kehrt zu seiner Mutter heim, die ihn küßt und zu Bett legt. Als sie beschäftigt ist die Kuh zu melken, bindet sie ihn mit etwas Zwirn an eine Distel, damit ihn der Wind nicht wegwehe. Eine Kuh nimmt ihn aber sammt der Distel ins Maul. Während sie kaut, schreit der Däumling in gewaltiger Angst vor den großen Zähnen, die ihn zu zermalmen drohen „Mutter! Mutter!“ „Wo bist du lieber Tom?“ ruft sie. „Ach, hier im Maul der rothen Kuh“. Die Kuh über den wunderlichen Lärm in ihrem Schlund erschrocken, öffnet den Mund und läßt ihn wieder herausfallen. Der Vater macht ihm eine Peitsche von Gerstenstroh, damit das Vieh zu treiben. Eines Tags pickt ihn ein Rabe mit einem Korn in einer Furche auf, fliegt mit ihm auf die Zinne einer Riesenburg nach der Seeseite und läßt ihn da liegen. Der Riese findet ihn und schluckt ihn sammt seinen Kleidern als eine Pille, speit ihn aber wieder in die See, wo ihn ein großer Fisch verschlingt. Der Fisch kommt auf die Tafel des Königs, und als er aufgeschnitten wird, erscheint zu aller Freude der kleine Däumling. Der König macht ihn zu seinem Zwerg. Wenn er ausreitet, nimmt er ihn in die Hand, und wenn Regenschauer kommen, kriecht Tom so lange in des Königs Westentasche. Der König erlaubt ihm seine Eltern zu besuchen und aus seinem Schatz so viel mitzunehmen als er tragen kann. Der Däumling nimmt mit vieler Mühe ein drei Pfennigstück in einem Beutlein auf seinen Rücken und geht an der halben Meile zwei Tage und zwei Nächte; seine Mutter findet ihn halb todt vor der Thüre. Er wird mit Freuden aufgenommen, besonders da er eine so große Summe Geldes mitbringt. Sie setzen ihn in einer Wallnußschale ans Feuer und bewirthen ihn drei Tage lang mit einer Haselnuß, was ihm übel bekommt, da er sich dabei übernimmt, denn sonst hätte sie ihm für einen ganzen Monat genügt. Der Däumling kann, da es geregnet hat, nicht zurückreisen, seine Mutter setzt ihn daher auf ihre Hand und bläst ihn mit einem Athem nach dem Hofe des Königs zurück. Als er dort krank wird,

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Brüder Grimm: Kinder- und Haus-Märchen Band 3 (1856). Dieterich, Göttingen 1856, Seite 319. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kinder_und_Hausm%C3%A4rchen_(Grimm)_1856_III_319.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)