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96.
De drei Vügelkens.

Drei Stunden von Corvei westlich liegt der Keuterberg, Köterberg, Teuteberg (übereinstimmend mit dem nicht weit davon anhebenden Teutoberger Wald), auf dessen Gipfel sich die Corveischen, Hanöverschen und Lippischen Gränzen berühren. Er ist von beträchtlicher Höhe und mag leicht mehr als vierzig Stunden im Umkreis beherrschen, tiefer ist er mit Wäldern bewachsen, die Kuppel selbst ist kahl, hier und da mit großen Steinen besäet, und gewährt dürftige Weide für Schaafe. An ihn haben sich natürlich viele Sagen geknüpft und durch ihn erhalten. Rings um den Berg liegen sechs Dörfer, aus einem derselben ist das Märchen ganz in der Mundart mit allen ungleichen zwielichtigen Formen aufgenommen (nur die Schriftsprache hat eine einzige bestimmte, die lebende so häufig mehrere zugleich) z. B. sehde und segde, graut und grot, bede und beide, derde und dride. Teite für Vater, das alte Tatta, wird nur in diesen sechs Dörfern gesagt, sonst immer Vaer. Der Eingang hängt noch mit folgender Sitte zusammen, wenn die Kinder, auf den verschiedenen Seiten des Bergs das Vieh hütend, sich etwas sagen wollen, ruft eins „hela!“ oder „helo! helo! höre mal!“ Dann antwortet das andere von drüben „helo! helo! wat wust du?“ „helo! helo! kumm mal to mie herover.“ „Helo! helo! ick kumme glick.“ Vergl. darüber auch Steinen in der westphäl. Geschichte 1, 57. Andere Auffassungen der Überlieferung in Wolfs Hausmärchen S. 168, bei Meier S. 72 und bei Pröhle Kinderm. Nr. 3.

Unser Märchen stimmt sagenmäßig mit dem der 1001 Nacht von den zwei Schwestern, die auf ihre jüngste eifersüchtig sind (7, 277 folg.); die arabische Erzählung ist nur mehr ausgedehnt, die deutsche einfacher und auch wohl schöner; beide haben ihre Eigenthümlichkeiten und beweisen ihre Selbständigkeit damit. Aus jenem allgemein zugänglichen Buch wäre Auszug und Zusammenstellung bis ins Einzelne überflüssig. Der Derwisch, welchem der Prinz erst Bart- und Augenhaar abschneidet, eh er redet (eins mit dem Gespenst in deutschen Sagen, welches stillschweigend rasiert sein will), ist

Empfohlene Zitierweise:
Brüder Grimm: Kinder- und Haus-Märchen Band 3 (1856). Dieterich, Göttingen 1856, Seite 174. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kinder_und_Hausm%C3%A4rchen_(Grimm)_1856_III_174.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)