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Drittes Kapitel

Im Wardeinschen Anwesen erwachte das Leben, eine Stalltüre knarrte, nackte Füße stapften die Holzstufen am Hause auf und ab. Doralice fuhr aus ihrem Sinnen auf, aus dem Weiterleben des nächtlichen Traumes. Das Zimmer war jetzt ganz hell, die Decke mit den großen Streckbalken, die Möbel in ihrer robusten Häßlichkeit ließen sich nicht mehr wegdenken wie vorhin in der wesenlosen Dämmerung, sie riefen Doralice zu ihrer Wirklichkeit zurück, mahnten sie, daß sie zu ihnen gehörte. Die Türe zum Nebenzimmer stand offen, dort schlief Hans. Doralice sah ihn, wie er in seinem Bette auf dem Rücken lag, die Wangen rot, das gelbe Haar wirr in die Stirn fallend, die Lippen halb geöffnet. Er atmete tief und laut, seine breite Brust hob und senkte sich, die Augenbrauen zog er ein wenig zusammen, was dem Gesicht einen Ausdruck verlieh, als sei das Schlafen eine ernste, schwere Arbeit, der er sich mit ganzer Anstrengung widmete. „Der wird’s schon machen,“ dachte Doralice, „wer so schlafen kann, wer so dabei ist, der ist seiner Sache sicher.“ Das tröstete sie ein wenig in der unklaren

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Eduard von Keyserling: Wellen. S. Fischer, Berlin 1920, Seite 51. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Keyserling_Wellen.pdf/51&oldid=- (Version vom 29.9.2021)