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Kleefeldern und Föhrenwäldern Düfte herüber. Das Meer hatte heute ein seltsam zögerndes, lässiges Rauschen. Zeitweise schien es zu schweigen, dann fuhr eine Welle auf und murmelte etwas und nach einer Weile erst erwachte eine andere und antwortete verträumt und auf den Kieseln des Strandes klapperten die schweren Schritte der stillen Liebespaare. Doralice hatte die Augen geschlossen und wollte ihren Gedanken nachhängen, allein aus den Gedanken wurde ein Traum und sie schlief ein. Sie träumte von dem Garten des Schlosses, sie ging mit Hilmar einen der geraden, endlosen Wege entlang und zu beiden Seiten auf den Beeten standen Gladiolen, ganz hohe feuerrote Gladiolen. Und plötzlich stand der alte Graf da mitten in einem der Beete, knietief in den Gladiolen. Sein Gesicht war klein, grau und kraus von Fältchen. Er stand da und schaute auf seine Uhr, die er in der Hand hielt. „Nun sieht er uns,“ sagte Hilmar, „nun ist es gleich“ und er beugte sich über sie und küßte sie. Und dann wußte Doralice, daß sie nicht mehr schlief, daß Hilmar da war, daß sie die ganze Zeit über auf ihn gewartet hatte und daß er sie küßte. Sie hielt die Augen noch geschlossen, erst als Hilmar ihre Hände nahm und sagte: „Wie

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Eduard von Keyserling: Wellen. S. Fischer, Berlin 1920, Seite 192. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Keyserling_Wellen.pdf/192&oldid=- (Version vom 1.8.2018)