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als sei noch eine Spur alter Vergoldung an ihr haften geblieben, und die trüben gelben Augen schauten in die Weite mit einem Blick, der starr auf eine sehr große gleichgültige Ferne hinaussieht. Hans sprach während des Malens über seine Kunst. Seit gestern sprach er viel und eifrig über seine Kunst und ihre praktischen Aussichten: „Es geht famos. Sie sind ein glänzendes Modell, Mutter Wardein. Einleuchtender kann ein Menschenschicksal nicht in Linien aufgehen, als in Ihrem Gesicht. Na ja, natürlich, ein Porträt muß in uns die Vorstellung eines individuellen Lebens hervorbringen. Deshalb muß man auch Menschen malen, die man nicht kennt, sonst will man da zu viel hineinlegen. So zum Beispiel ist es mir deshalb schwer, dich zu malen, weil ich zu gut in dir Bescheid weiß.“

„Du weißt in mir Bescheid?“ fragte Doralice. – „Natürlich.“

„Da weißt du mehr als ich,“ meinte Doralice.

Hans legte seinen Pinsel fort und schaute Doralice verwundert an: „Sag’ mal, seit einiger Zeit jetzt hast du zuweilen solche Aussprüche unangenehmer Lebensweisheit wie der Geheimrat.“

Doralice seufzte: „Ach ja, angenehm ist es

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Eduard von Keyserling: Wellen. S. Fischer, Berlin 1920, Seite 176. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Keyserling_Wellen.pdf/176&oldid=- (Version vom 1.8.2018)