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Knospelius rief nach seinen Colombinen, dann saß er zwischen den beiden Mädchen, schüttelte behaglich seine Schultern wie ein Frierender, der sich eine warme Decke über die Knie zieht. „Meine lieben Gäste,“ rief er und erhob sein Glas, „auf Ihr Wohl! Ich danke Ihnen, daß Sie gekommen sind, jetzt bitte ich zu trinken, dann wollen wir noch die Loreley singen und endlich eine Mondscheinquadrille tanzen.“

„Wie wissenschaftlich er uns behandelt,“ sagte Hilmar zu Doralice. „Er kandiert uns nach allen Regeln.“

Doralice wollte etwas erwidern, aber der gespannte, fast zornige Ausdruck auf seinem Gesichte überraschte sie und sie schwieg. „Ach,“ fuhr Hilmar fort, „bei mir hat er es leicht, ich bin gegen die Wirkungen einer Sommernacht wehrlos. Nun, Soldaten sind immer sentimental, aber bei mir war es von jeher so. Ich erinnere mich, daß, wenn ich als Kind aus der Sommernacht hereingeholt wurde, um zu Bett zu gehen, ich wie toll heulte. Wenn meine Mutter mich fragte, warum ich weine, wußte ich es nicht; ich konnte nur sagen, ich weine, weil Müller heute so häßlich ist. Müller war meine Kinderfrau, die ich sonst liebte.“

„Das verstehe ich,“ meinte Doralice, „so geht

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Eduard von Keyserling: Wellen. S. Fischer, Berlin 1920, Seite 137. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Keyserling_Wellen.pdf/137&oldid=- (Version vom 1.8.2018)