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habe sie etwas erlangt, nach dem sie lange, lange, bis in die Kinderzeit hinein, gehungert hatte, damals, als sie am Ende der Ferien, wenn Günther fortreiste, sich in die finsteren Winkel des Hauses versteckte, um zu heulen, weil sie keine Baronesse war und nicht, wie Beate, Günther heiraten sollte. „Wenn es wäre,“ dachte sie immer wieder. Günther sprach weiter. „Ja, Sie Mareile, Sie können sich auch nicht gleich in den Gartensaal und die Kreuzzeitung finden, wenn wir von Mondschein und der Wiese kommen. Nicht wahr?“ – „Ich!“ Mareile wollte scherzen, aber ihre Stimme hatte den fliegenden Atem des schnell schlagenden Herzens. „Ich! ich bin kein Rassepferd. Ich habe doch keine vornehmen, resignierten Augen. Nein, ich habe freie Weide, Gott sei Dank!“ – „Sagen Sie, Mareile. Ist wirklich noch was vom Landmädchen in Ihnen, so von freier Weide, wie Sie sagen?“

Mareile errötete. „Oh, gewiß. Ich kann arbeiten, und ich spare, und flaches Land hab’ ich nötig, um hinüberzusehen.“

„Und doch ist was Fremdes in Ihnen,“ meinte Günther sinnend.

Mareile erhob sich. „Gehn wir. Die Luft hier, diese Rasseluft ist beklommen.“

Sie standen noch einen Augenblick und plauderten ruhig und unbefangen. „Sehn Sie die alte Fuchsstute dort,“ bemerkte Günther, „die hat ihr Blut untergekriegt. Sehen Sie den Blick. Wie Tante Lolo, wenn sie die Kreuzzeitung liest.“


Mareile ging zur Heide hinab. Sie mußte nachdenken. Es lag sich gut auf dem Heidekraut mitten in dem Blinzeln und Schnurren der Mittagstunde.

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Eduard von Keyserling: Beate und Mareile. S. Fischer, Berlin [1903], Seite 87. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Keyserling_Beate_und_Mareile.djvu/87&oldid=- (Version vom 1.8.2018)