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Augen hatte sie eben etwas angeglänzt, das sie eine Weile entbehrt hatte und das doch ihre eigenste Lebenslust war.

Die Sonne ging himbeerrot zwischen violetten Wolkenstreifen unter. Dämmerung legte sich über das Land. Ein roter Mond stand dicht über dem Horizonte. Die Arbeiter gingen auf dem Fußpfade zwischen den Feldern heim. Wo ein Bursche hinter einem Mädchen herging, da folgte Mareile ihnen mit den Augen, und wenn sie hinter den Erlen verschwanden, sagte sie sich:

„Jetzt bleiben sie stehn. Jetzt langt er nach seinem Mädchen,“ und sie kam sich dort auf ihrem Schiebkarren plötzlich einsam und um ihr Recht an der Sommernacht betrogen vor.

Endlich kehrte Günther zurück. „Aufs Pferd, aufs Pferd,“ rief er. „Vater Ziepe reitet einen andern Weg. Heute ist gute, preußische Sentimentalität in der Luft, nicht?“

Der Mond war höher gestiegen. Nebel lagen auf den Wiesen. Es roch nach Moor und feuchtem Laub. Die Frösche quarrten in den Tümpeln und die Rebhühner lockten im Klee. „Jetzt gehen wir wieder miteinander durch – hoio!“ rief Günther. Sie trieben die Pferde an. Anfangs ging es an jungen Kiefern hin, die mit ihren Blütenbüscheln, wie mit kleinen Affenhänden, nach Mareilens Reitkleide faßten. Dann kam der Hochwald, hohe, dunkle Stämme, vom Mondlicht silbern gestreift. Alles stürzte schnell, gewaltsam, wehend vorüber – Düfte, niederrieselnder Tau, flüchtige Bilder von Lichtungen, von weidenden Rehen, von großen, lautlosen Eulen. „Geben Sie mir Ihre Hand, dann geht’s besser,“ rief Günther. Sie hielten sich an den Händen; diese Hände drückten sich, als wollten sie einander

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Eduard von Keyserling: Beate und Mareile. S. Fischer, Berlin [1903], Seite 83. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Keyserling_Beate_und_Mareile.djvu/83&oldid=- (Version vom 1.8.2018)