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Warum hatte er nichts Starkes, Heißes? Die arme Beate schloß ihre geduldigen Opferaugen gerade vor allem, nach dem er sich jetzt sehnte. Die Luft hier war dünn und kühl. Er wollte Schwüle, wollte etwas, das berauscht. War es denn aus mit dem Erleben? Ungeduldig und feindlich dachte er an die Frauen hier, mit ihrem vornehmen Verhüllen aller schönen Nacktheit, an die Frau, deren Leib nach jeder Umarmung rein und keusch zu bleiben schien. Konnte das ihn satt machen! – – Heute mußte er etwas tun, das ihn daran erinnerte, daß er noch jung war. In das Schlafzimmer mit der schläfrigen Ampel konnte er heute nicht hinein. Er trat an das Fenster und zog den Vorhang zurück. Der Vollmond stand am Himmel. Der Schnee flimmerte bläulich. Wie festlich und weit das aussah! Und da sollte er, Günther, drinnen bleiben, bei den gelben Lampen, und zuhören, wie die gefräßigen Uhren ihm die ungenützten Lebensaugenblicke forttickten? In solchen Nächten hatte er als Knabe seine ersten Liebesabenteuer unter Peters und Jagdabenteuer unter Mankows Leitung erlebt. Ja! Das war’s! Wilddiebsjagd bei Mondschein – wie damals! „Peter – Peter,“ rief Günther erregt, „Hasenjagd im Mondschein, wie früher in Lantin. Wir fahren zu Mankow und seiner roten Eva. Spann den Braunen an.“


Als Günther mit Peter im Schlitten saß und in die Mondnacht, wie in eine blaue Glaswelt, hinausfuhr, da packte ihn die Jugendlust so stark, daß er Peter an den Pelzkragen faßte und rüttelte: „Daß du dich nicht unterstehst, alt und schläfrig zu sein.“

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Eduard von Keyserling: Beate und Mareile. S. Fischer, Berlin [1903], Seite 56. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Keyserling_Beate_und_Mareile.djvu/56&oldid=- (Version vom 1.8.2018)