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und dann erschütterte der Ausdruck der blauen Augen sie, die so gierig ihre Gestalt tranken. Sie machten Mareile sprach- und hilflos. Es war ihr, als müßte sie mit beiden Händen nach ihren Kleidern fassen, sie halten, um nicht nackt vor diesem Blicke dazustehen.

„Das müssen Sie doch gewollt haben,“ sagte Hans leise.

Mareile schwieg noch immer. Vor diesen heißen Augen wurde ihr feierlich zumute. „Wir – wir beide miteinander werden anders frei sein, als die – hier,“ setzte Hans hinzu.

„Das ist aber zu arg!“ rief die Gräfin Blankenhagen. „Ich bitte zu tanzen. Es ist hier keine Route.“

Als Mareile sich erhob, sagte sie – und ihre Stimme klang, als empörte sie sich gegen etwas: „Frei! Warum muß man frei sein?“ Dann tanzten sie.

Der Tanz war zu Ende. Mareile eilte in den Wintergarten hinaus. Aus dem Palmenhause nebenan strömte eine heiße, duftschwere Luft herein. Mareile setzte sich auf eine versteckte Bank, die Phönixpalmen und Rhododendron umstanden. Sie fühlte sich seltsam ergriffen. Vor den Blicken und den Worten dieses Mannes war etwas in ihr geschmolzen. Verlangen und Widerwille kämpften in ihr und machten sie unglücklich. „Nein – nein – das nicht!“ murmelte sie. Sie lehnte den Kopf in die Blüten der Rhododendren zurück und schloß die Augen. Sie sah Egon Sternecks Gesicht vor sich, die stahlblauen, von ihr begeisterten Augen. Hier waren keine schwülen Rätsel; nur sicheres Besitznehmen. Wer beschützt sein, wer fest und hoch stehen wollte, der mochte es bei den Augen gut haben. Dann mußte Mareile die Augen aufschlagen. Es war ihr, als sei jemand da und sähe sie an.

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Eduard von Keyserling: Beate und Mareile. S. Fischer, Berlin [1903], Seite 40. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Keyserling_Beate_und_Mareile.djvu/40&oldid=- (Version vom 1.8.2018)