murmelte er und merkte dabei, wie die Verliebtheit in die rassige Dame ihm die Kehle zuschnürte. Unten am Tische saß Frau Ziepe neben dem Kandidaten Halm. Beide schauten Mareile feierlich und schweigend an, als wären sie zu diesem Schauspiel eingeladen und genössen es jetzt still und glücklich.
Nach dem Speisen wurde getanzt. Günther als Tanzleiter war unermüdlich. Er führte die Quadrillenpromenade die breiten Treppen auf und ab und ließ auf einer Galerie ein jedes Paar vor Frau Bias, der alten Gärtnersfrau, und Frau Mandelkoch, der Mamsell, die dort schläfrig beieinandersaßen, eine Verbeugung machen. Dann mußten alle in den Garten hinaus, in die stillen, mondbeschienenen Gänge, an den schlafenden Blumenbeeten hin. Die weiße Feierlichkeit der Mondnacht strich erregend über die nackten Schultern und Arme, stieg allen wunderlich zu Kopf. Man wurde schweigsam auf diesem Gange zwischen den Tuberosen und Gladiolenbeeten, hie und da erscholl ein hysterisches Frauenlachen, Agnes Scharf bekam einen Weinkrampf, die Gräfin Blankenhagen ließ sich in einem Schattenwinkel von Botho Sterneck küssen. Egon Sterneck wich nicht von Mareilens Seite, und das erschien heute wie selbstverständlich; das schöne Paar, das sich rücksichtslos in die Augen sah, war der beredte Ausdruck der Stimmung dieses Abends. „Der Tarniff versteht sich auf die Behandlung der Gesellschaftsnerven,“ sagte der Graf Blankenhagen, der trotz seines weißen Kaiser-Wilhelm-Bartes mit Beate die Quadrille tanzte. „Sie Göttliche!“ sagte Agnes Scharf und umarmte Mareile so leidenschaftlich, als sei Mareile die Liebe in Person.
Mareile ließ sich von diesem Strom der Bewunderung
Eduard von Keyserling: Beate und Mareile. S. Fischer, Berlin [1903], Seite 38. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Keyserling_Beate_und_Mareile.djvu/38&oldid=- (Version vom 1.8.2018)