feuchten Blumen in Beates Haar. Beate lachte unter dem Tropfenregen. „So ist’s gut,“ meinte Günther, „Schönheit – Schönheit – Schönheit, Amen.“
Beate saß in ihrem erdbeerfarbenen Nachtkleide noch auf. Amélie, das naseweise Gesichtchen rot vom Tanz, versuchte ein Gespräch.
„Ach nee, der Maschnap, über den hab’ ich gelacht. Und die Eve, die war gut, wie ’n Pfannkuchen hat die sich gebläht.“
„Geben Sie mir die Bücher,“ sagte Beate, und wenn die Gräfin sich die heiligen Bücher geben ließ, die Bibel und den Thomas a Kempis, dann mußte Amélie gehen.
Die Stille des alten Kaltin hatte Beate überempfindlich für jeden Eindruck gemacht. Jedes Erlebnis nahm tiefe Bedeutung an, wie Gestalten im Mondschein größer erscheinen.
Sie beugte sich über den Thomas a Kempis und las: „Mache mich stärker in der Liebe, daß ich im Innersten meines Herzens schmecken lerne, wie süß es ist, zu lieben und in Liebe aufzugehen und ganz mich zu bewegen. Singen möchte ich das Lied der Liebe …“
Draußen schüttelte ein plötzliches Wehen den Baum vor dem Fenster. Beate schaute auf, dann, wie erschöpft von dem übermächtigen Gefühle, lehnte sie den Kopf zurück. Ihr Gesicht war blaß, von der feinen Blässe der alten Rassen, die von jahrhundertelangem Stehen auf geschützten Höhen müde geworden sind. Der Ausdruck des Gesichtes war wie Lächeln und doch wie Leiden. Die braunen Zöpfe, noch
Eduard von Keyserling: Beate und Mareile. S. Fischer, Berlin [1903], Seite 22. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Keyserling_Beate_und_Mareile.djvu/22&oldid=- (Version vom 1.8.2018)