Der Reif lag wie feine Asche auf den leeren Straßen, die Günther und Sterneck durchfuhren. Die Kähne standen auf der Spree im Nebel groß und schwarz auf einem Tintenfluß. Fröstelnd drückte Günther sich in die Wagenecke. Die leeren Straßen waren ihm zuwider; er wünschte schon draußen in der Vorstadt zu sein, wo die Leute auf sind, wo die Milchwagen und Gemüsekarren über das Pflaster rattern. Günther sah Kaltin vor sich, sehr deutlich, mit dem gelben Sonnenlicht auf den Fenstern, die Levkojenbeete des Gartens, Beate in einem weißen Kleide, einen Strauß Astern in der Hand. Sterneck sprach von Dachsbauen und Teckeln. Jetzt fuhren sie langsam durch den Sand. Die Luft wurde freier und schneidender.
Am Waldrande standen die Wagen der anderen Herren. Tettau mit zwei Ärzten, der Fürst mit Graf Halke. Ein wenig mißmutig hüllten sie sich in ihre Mäntel, wie Leute, die nicht ausgeschlafen haben. Man begab sich in den Wald. Als die geeignete Stelle gefunden war, begannen die Herren die Entfernung zu messen. Günther saß wartend auf einem Baumstumpf. Vor ihm, auf einer Föhre, hockte ein Eichhörnchen. Das spitze, kleine Gesicht mit den roten Püscheln an den Ohren blinzelte freundlich und ironisch auf Günther nieder. Das machte ihm Spaß. Endlich meldete Sterneck, alles sei bereit. Günther legte seinen Mantel ab. „Der da,“ meinte er, „wird sich wundern, was wir mit unseren Dummheiten bei ihm wollen.“
„Die Eichkatze da?“ fragte Sterneck. „Na, die haben auch ihre Affären. Jeder Kreatur ihre Mensur.“
„Das ist ja ’n Vers!“
Eduard von Keyserling: Beate und Mareile. S. Fischer, Berlin [1903], Seite 133. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Keyserling_Beate_und_Mareile.djvu/133&oldid=- (Version vom 1.8.2018)