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Jetzt sprechen, viel sprechen, große Worte, die guten, pathetischen Klang hatten, bei denen sich weite Bewegungen machen ließen, eine Szene, das war die Rettung. „Ich frage nicht weiter. Du mußt vielleicht so handeln. Dir scheint es wohl, als sei dir großes Unrecht geschehen. Was?“ Beate schwieg. „Gut! Ich bin im Unrecht, ich gestehe es zu. Einer gewöhnlichen Frau hätte ich nichts mehr zu sagen. Von dir kann ich verlangen, daß du mich trotz allem auch verstehst.“

Beate zog die Augenbrauen empor und sagte: „Ich bin eine gewöhnliche Frau. Ich versteh’ dich nicht.“

Günther wurde durch den Widerspruch wärmer: „Doch, doch! Du verstehst mich. Du weißt, daß ich dich liebe, wie du bist und weil du so bist, und daß ich zuweilen Sehnsucht haben kann – nach – nach heißem Blut – nach Leidenschaft – nach – nach … nun mein Gott, nach allem, was du nicht geben kannst und sollst.“

Das Blut stieg Beate in das schmale, kummervolle Gesicht. Ihre Augen wurden feucht und böse. Sie sprach heiser und mühsam: „Und wer … wer sagt dir – daß ich nicht auch heißes Blut habe … daß ich nicht auch …,“ sie kam nicht weiter. Mit beiden Händen bedeckte sie ihr Gesicht. Sie schämte sich. Die arme geknechtete, verleugnete Sinnlichkeit wollte sich wehren, aber sie schämte sich davor, sich selbst zu bekennen. Beate weinte: „Sprich nicht. Ich kann es nicht hören. Was soll ich tun!“ klagte sie.

„Soll ich gehn?“ fragte Günther kleinlaut. Beate nickte. Da verließ er das Gemach, leise, als fürchtete er einen Schläfer zu wecken.


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Eduard von Keyserling: Beate und Mareile. S. Fischer, Berlin [1903], Seite 120. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Keyserling_Beate_und_Mareile.djvu/120&oldid=- (Version vom 1.8.2018)