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Antillen in zwei Arme theilt, von denen einer auf Grönland zugeht und der andere sich zwischen Südamerika und Afrika verliert.

Modificirt nun werden alle diese Farbennuancen durch die Jahreszeiten und die Erdatmosphäre. Der Einfluss der letzteren macht sich besonders bemerkbar durch meteorische Veränderungen, Wolken, Nebel und elektrische Erscheinungen; so werden z. B. die Nordlichter auf die weisse Fläche der Nordpolregion röthliche, flimmernde Farbentöne setzen, von der Sonne rosig gefärbte Dunstgebilde über weite Gebiete dahinziehen und die Dämmerungserscheinungen an den Lichtgrenzen, also am östlichen und westlichen Rande der Volvascheibe oft intensiv rothe Umrahmungen hervorbringen.

Dieses Gesammtbild stelle man sich vor in einer Grösse, die flächeninhaltlich die unserer Mondscheibe 14mal übertrifft, thronend in majestätischer Ruhe vor einem tiefschwarzen Hintergrund und man wird wenigstens einen Begriff von dem grossartigen Eindruck erlangen, den die Volva auf die Mondbewohner ausüben muss.

Dass das Spiegelbild der Sonne in den Meeren der Volva den Seleniten sichtbar sein wird, wie Mädler andeutet[UE 1], glaube ich kaum. Das würde dann freilich der glänzendste Punkt auf der Volva sein, ein sehr interessantes Phänomen: man denke sich ein helles von Osten nach Westen, aber viel langsamer wie die Flecken, vorüberziehendes Pünktchen, bald verschwindend, bald wieder auftauchend, je nachdem es auf Land oder auf Wasser trifft.

Die Frage, ob lebende Wesen und durch diese bedingte Einrichtungen und Veranstaltungen auf dem Monde vorhanden sind, werden wir später, wo Kepler auf die Topographie des Mondes eingeht, erörtern, hier wollen wir uns nur damit beschäftigen, ob es den Seleniten möglich wäre, die Bewohntheit der Erde wahrzunehmen. Da können wir, natürlich wieder unter der Annahme, dass die Augen der Mondbewohner den unsrigen an Schärfe gleich sind, ohne weiteres behaupten, dass mit blossem Auge – ebensowenig wie wir am Monde – die Seleniten an unserer Erde etwas wahrnehmen würden, was auf eine lebende, sich bewegende, schaffende Welt schliessen liesse: kein Thier, selbst nicht von der Grösse eines Elephanten, keine Pflanze, kein Gebäude, keine Stadt ist gross genug, um wahrgenommen zu werden; nur gewisse vulkanische Ausbrüche, auch wohl Katastrophen wie der Brand von Moskau oder von Hamburg würden vielleicht dem gerade genau hinsehenden Beobachter als kleine leuchtende Punkte in der Nachtseite der Volva erschienen sein.

Anmerkungen des Übersetzers

  1. Mädler‘, wie oben, S. 169. Siehe auch Jul. Schmidt, „Der Mond“, S. 161, Anm. 159.
Empfohlene Zitierweise:
Johannes Kepler: Keplers Traum vom Mond. B. G. Teubner, Leipzig 1898, Seite 109. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Keplers_Traum_137.jpg&oldid=- (Version vom 9.9.2019)