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Wie Kepler nun zu der Zahl 60 gekommen ist? Ich meine, es ist ganz im Sinne der keplerschen Philosophie, wenn man annimmt, dass sein Bestreben, überall in der Natur ein Ebenmaass, die Harmonie, zu finden – woraus ja auch seine Idee entsprungen ist, die Anordnung der Planetenbahnen mit den regelmässigen Gebilden der Geometrie in Zusammenhang zu bringen[UE 1]ihn auch hier geleitet hat, 60′ statt 58′ 22″ zu wählen. So war das Verhältniss gerade 4 : 1, und nun beweist er durch die blosse Rechnung, wie das harmonische Verhältniss von dem wirklichen, damals bekannten, abweicht.

Das Ebenmaass, der Accord des Verhältnisses ist 60 : 4, weil ja, wie Kepler selbst sagt, 4′ der 15. Theil von 60′ ist. Das quadratische Verhältniss ist in der That etwas grösser, nämlich 60 : 3,967, d. h. man sieht die Erde auf dem Monde nach der Fläche 15,14mal so gross, als wir den Mond sehen. In den populär-astronomischen Büchern wird die Grösse unserer Erdscheibe vom Monde aus gesehen flächeninhaltlich als 13–131/2mal derjenigen des Mondes angegeben. Es basirt diese Angabe auf einer Berechnung mit den wirklichen Durchmessern von Erde und Mond.

Diese ist, mit der hier gebotenen Einschränkung, folgende:

Durchmesser der Erde ~ 12 735 km Durchmesser des Mondes ~ 3 480 km Verhältniss = 12 7353480 = 1 : 3,6595.

Auf Flächeninhalt berechnet ergiebt sich:

Fläche der Erde = 127 311 476 □km
„   des Mondes = 009 506 664 □km
Das Verhältniss = 1 : 13,392

Die Erde wird sich also den Seleniten als eine Scheibe zeigen, deren Durchmesser ~ 3,66 und deren Fläche ~ 13,4mal so gross ist als die, mit der der Mond sich uns präsentirt.

Es muss für die Mondbewohner in der That ein über alle Beschreibung prachtvoller Anblick sein, ihre Volva als eine so imposante, stets sichtbare Scheibe am Himmel glänzen zu sehen. Immer wechselnde Bilder zeigend, noch gehoben durch den tief schwarzen Hintergrund, bald ab-, bald zunehmend, lässt sie Sonne und alle Gestirne des Himmels in

Anmerkungen des Übersetzers

  1. s. ‚Geheimniss des Weltbaus‘, Tübingen 1596. K. O. O. I. u. ‚Weltharmonie‘, Linz 1619. K. O. O. V.
Empfohlene Zitierweise:
Johannes Kepler: Keplers Traum vom Mond. B. G. Teubner, Leipzig 1898, Seite 096. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Keplers_Traum_124.jpg&oldid=- (Version vom 9.9.2019)