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Gelegenheiten sind in der That selten. Sofern man hier den Dämon an Stelle der astronomischen Wissenschaft nehmen kann, würde dies eine Bekräftigung dafür sein, dass dem Geiste der Weg nach dem Monde nicht anders offen steht, als durch den Schatten der Erde.

Der Glaube, dass die Finsternisse Unglück über die Menschen brächten, war noch im vorigen Jahrhundert allgemein verbreitet, wie manche Urkunde in den Stadtarchiven beweist. So werden durch eine Verfügung des Churfürstlichen Hofrath, Ehrenbreitenstein, den 22. Juli 1748 ‚nachdemalen auf nachkünfftigen Donnerstag, als dem Fest des heil. Jacobi, eine allgemeine grosse Sonnenfinsterniss, wodurch besorglich vieles Gifft auf dem Feldt und sonsten in die Pfützen und Brunnen fallen dörffen‘, sämmtliche Beamten angewiesen, den Eintritt dieses Ereignisses mit dem Befehle in allen Gemeinden und Dorfschaften zu verkündigen, dass an dem genannten Tage ‚zu Verhüt und Abkehrung alles Unglücks‘ durchaus kein Vieh auf die Weide getrieben werden darf, und dass alle Brunnen sorgfältig bedeckt und verwahrt werden müssen [s. auch C. 53]. In feinsinniger, nicht verletzender Weise parodirt Kepler diesen Aberglauben seiner Zeitgenossen und gewinnt so eine Gelegenheit zur Mondfahrt, wie sie glücklicher nicht gedacht werden kann. Aus den Schatten der Erde und des Mondes erbaut er sich den Weg durch die Unendlichkeit, der selbst für den Dämon nur selten und nur unter genauer Beobachtung der Zeitumstände, und nicht ohne Gefahr zu betreten ist. War die Erreichung des Mondes von der Erde aus stets ein Wunsch, der bei dem gewöhnlichen Volke als erfüllbar angesehen wurde, so glaubten nach Erfindung des Luftballons durch Montgolfier[UE 1] selbst Gelehrte allen Ernstes an die Verwirklichung dieses Wunsches, ja der gelehrte Bischof Wilkins behauptete schon 1640, dass in einem mit Aether gefüllten Ballon die Reise in den Mond möglich sei. Kepler war indessen schon mit allen Hindernissen, die der Annäherung an den Mond in physikalischer und astronomischer Beziehung entgegenstehen, so vertraut, dass er die Ausführung für unmöglich hielt, und wenn er sagt, dass der Weg nach dem Monde dem Geiste nur durch den Schatten der Erde offen steht, so hat er damit andeuten wollen, dass dieser Geister-Weg den Körpern für ewig verschlossen ist.


36. [57.]


Dies wird ein Physiker leicht einsehen. Denn wenn ein Körper von der Schwere eines Menschen in einem Zeitraum von einer Stunde

Anmerkungen des Übersetzers

  1. Joseph Michel Montgolfier, geb. 1740 in Vidalon-lès-Annonay, Papierfabrikant, gest. 1810, erfand mit seinem Bruder Jacques, geb. 1745, gest. 1799, um 1780 den durch verdünnte Luft gehobenen Luftballon, Montgolfière genannt.
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Johannes Kepler: Keplers Traum vom Mond. B. G. Teubner, Leipzig 1898, Seite 046. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Keplers_Traum_074.jpg&oldid=- (Version vom 9.9.2019)