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Astronomie des Copernicus‘[UE 1], wo im I. Theil von den Dimensionen der Erde die Rede ist. Er giebt die Polhöhe von Linz = 48° 16′ und die von Prag = 50° 6′ an; die Differenz ist also 1° 50′, die geradlinige Entfernung = 26 deutsche Meilen; wenn man 1° auf der Erdkugel zu 15 deutschen Meilen rechnet, so ist der Umfang der Erdkugel 15 × 360 = 5400 deutsche Meilen und der Durchmesser 54003,14 = 1720; der Halbmesser = 860 deutsche Meilen. Da nun der Mond im Apogäum 59 mal so weit von der Erde entfernt sei, meint Kepler, wie der Halbmesser der Erde selbst ist, so sei die Entfernung des Mondes von der Erde = 860 × 59 = 50 740 deutsche Meilen. Man rechnete 1 deutsche Meile (Milliare) = 4000 geometrische Schritte à 5 Fuss à 4 Palmen. Schon in seinem ‚Prodromus‘[UE 2] hatte Kepler gezeigt, dass die Entfernung des Merkur = 60 Halbmesser der Sonne und die Entfernung des Mondes = 60 Halbmesser der Erde sei. Das gleiche Verhältniss war ihm aufgefallen; hätte er die Monde des Saturn schon gekannt, so würde er es wohl als sehr merkwürdig hervorgehoben haben, dass auch die Entfernung des letzten [VIII] Saturnmondes = 60 Halbmesser des Saturn sei. Uebrigens ist nach den wirklichen Dimensionen, wie sie heute bekannt sind, das Verhältniss von Sonnenhalbmesser und Merkurentfernung nicht 1 : 60, sondern 1 : 81, und auch bei dem Monde ist das Verhältniss ein etwas anderes; s. N. [109].


35. [55.]


Die Beschreibung der Reise in den Mond, die Kepler hiermit beginnt, zeigt seine blühende Phantasie im glänzendsten Lichte, sie ist die Offenbarung eines echten, gottbegnadeten Astronomen.

Es liegt die mit Scherz gemischte Vorstellung zu Grunde, warum die Sonnen- und Mondfinsternisse soviel Unglück bringen. Ohne Zweifel wird den bösen Geistern die Macht über die Finsterniss und den Dunstkreis zugesprochen; man stelle sich also vor, dass die Verurtheilten und gleichsam Verbannten in diesen finsteren Gegenden, im Schattenkegel der Erde sich aufhalten. Wenn nun dieser Schattenkegel den Mond berührt, dann gehen die Dämonen schaarenweise auf den Mond, indem sie den Schattenkegel als Leiter benutzen. Umgekehrt, wenn der Schattenkegel des Mondes bei totaler Sonnenfinsterniss die Erde berührt, so kehren die Dämonen durch ihn zur Erde zurück. Diese

Anmerkungen des Übersetzers

  1. ‚Epitome Astronomiae Copernicanae‘, Linz an der Donau, 1618 [Erste Ausgabe]. K. O. O. VI.
  2. Sein Erstlingswerk, eine Abhandlung, enthaltend das kosmographische Geheimniss von dem wunderbaren Verhältniss der himmlischen Bahnen u. s. w. Tübingen 1596. K. O. O. I, S. 95.
Empfohlene Zitierweise:
Johannes Kepler: Keplers Traum vom Mond. B. G. Teubner, Leipzig 1898, Seite 045. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Keplers_Traum_073.jpg&oldid=- (Version vom 9.9.2019)