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nicht, pietisterte nicht (denn sein Frömmeln war wieder etwas anderes und ungleich Frischeres und Reineres, gewissermaßen etwas handwerklich Praktisches); er brummte und grunzte manchmal, aber er pfiff und näselte nie.

Sehen wir nun davon ab, daß seine Werke für ihr ganzes Dialektgebiet eine reiche Quelle immer neuen Vergnügens bleiben und durch zweckmäßige Anwendung und Übertragung, welche die Zeit früher oder später erlauben wird, auch für die weitesten Grenzen sein werden; betrachten wir dagegen, was dieselben uns Literaturmenschen insbesondere für ein bleibendes Gut darbieten, so dürfen wir uns freudig sagen, daß wir daran ein ganz solides und werthvolles Vermögen besitzen zur Erbauung und Belehrung. Denn nichts Geringeres haben wir daran, als einen reichen und tiefen Schacht nationalen, volksmäßigen poetischen Ur- und Grundstoffs, wie er dem Menschengeschlechte angeboren und nicht angeschustert ist, und gegenüber diesem positiven Gute das Negative solcher Mängel, welche in der Leidenschaft, im tiefem Volksgeschick wurzeln und in ihrem charakteristischen Hervorragen neben den Vorzügen von selbst in die Augen springen und so mit diesen zusammen uns recht eigentlich und lebendig predigen, was wir thun und lassen sollen, viel mehr als die Fehler der gefeilten Mittelmäßigkeit oder des geschulten Unvermögens.

Um anzudeuten, was wir mit der Bezeichnung eines großen epischen Talents oder, wie man will, Genies eigentlich verstehen, mögen hier statt einer theoretischen Abhandlung nur ein paar empirische Aphorismen stehen. Zu den ersten äußern Kennzeichen des wahren Epos gehört, daß wir alles Sinnliche, Sicht- und Greifbare in vollkommen

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Gottfried Keller: [Über] Jeremias Gotthelf. Wilhelm Hertz, Berlin 1893, Seite 159. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Keller_Gotthelf_159.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)