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fortliest; sie werden mit Ausnahme einzelner wirklich kopfloser Tiraden (welche von dem sophistischen Tendenzfanatismus herrühren) nie langweilig, weil die Natur und die wahre Poesie selbst eben nie langweilig werden. Die ethische und politische Grundlage, auf welcher auch dieß Buch aufgebaut ist, ist falsch und gedankenlos, da sich wieder die Frage um den irdischen Besitz mit christlichen Redensarten und mit der Verleumdung der Liberalen verbindet. Doch eigentlich gedankenlos nicht; denn es ist ein tiefgreifender Parteikunstgriff Gotthelf’s, daß er in das leichte Geplänkel seiner frömmelnden und konservativen Schnurren und Ungezogenheiten immer diesen schweren Klotz des materiellen Besitzes, der Scholle und des Thalers hüllt: dieser ist es, welcher auf den Bauersmann wirkt, die wahre christliche Seligkeit der Gemeinde und ihres Herrn Pfarrers. Sieht man von diesem unsittlichen Parteikniff ab, welcher die Grundlage bildet, so wird die üble Absicht sogleich im Einzelnen zur trefflichsten und wahrsten Ausführung. Werth und Heiligkeit von Arbeit, Ordnung und Ausdauer, den Haupttugenden der Ackerbauer, werden so dichterisch verklärt, wie wir es nur in wenigen besten Werken der ganzen Literatur finden können, und vorzüglich die Ehe, das Zusammenleben und -Wirken von Mann und Frau, ihr gemeinschaftliches Arbeiten, Dulden, Hoffen, Sorgen und Genießen weiß Gotthelf mit unübertrefflichem Reize zu schildern.

Auch in den „Erlebnissen eines Schuldenbauers“ ist wieder solch ein trefflich gezeichnetes Ehepaar in dem Aufbau seiner irdischen Welt, seines leiblichen Glücks mit jener Bedeutung und Schönheit geschildert, welche jüngst Hermann

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Gottfried Keller: [Über] Jeremias Gotthelf. Wilhelm Hertz, Berlin 1893, Seite 151. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Keller_Gotthelf_151.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)