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immer nur per Pfaffen sprechen, erklären, wie es kommt, daß man einen ganzen Stand mit einer solchen Antipathie ansehen kann.

Durch diese Tendenzen Gotthelf’s haben nun seine Schriften das schöne Ebenmaß verloren; die ruhige, klare Diktion wird unterbrochen durch verbittertes, versauertes Wesen; er überschriftstellert sich oft und gefällt sich darin, überflüssige Seiten zu schreiben, indem er seine eigene Manier sozusagen nachahmt und damit kokettirt. Man erhält nicht ein gereinigtes Kunstwerk, durch die Weisheit und Ökonomie des geschulten Genies zusammengefügt, man erhält auch nicht das frische naive Gewächs eines Naturdichters, denn Gotthelf ist ein studirter und belesener Mann; sondern man erhält ein gemischtes literarisches Produkt, das sich nur durch das vortreffliche Talent Bahn bricht, welches sich darin zeigt.

Von den Unebenheiten des Stils nur einige Beispiele. Während der Verfasser sich bestrebt, die drastische Sprache des Volks zu führen und seine Frauen im Scherze per „Unflath“ tituliren läßt, und fortwährend eine höhere Erziehung und Bildung verhöhnt, gebraucht er selbst, um psychologische Zustände zu bezeichnen, Bilder vom Brechen der Lichtstrahlen auf verschiedenen Körpern, von elektrischen Schlägen u. dgl. Wie kann er von dem Volke, das er haben will, das Verständniß solcher eleganten Metaphern verlangen? Er beschreibt ferner sehr gut renommistische Schlemmer, aufgedunsene Hasenfüße:

Johannes hatte eine von den brüllhaften Naturen, welche die ganze Welt voll himmeldonnern, daß man glauben sollte, in ihnen sei die Macht aller wahren und falschen Gottheiten, von Saturn bis 
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Gottfried Keller: [Über] Jeremias Gotthelf. Wilhelm Hertz, Berlin 1893, Seite 112. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Keller_Gotthelf_112.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)