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Anastasius ließ sich nicht lange bitten; man plauderte vergnügt von allerlei und darüber waren die beiden Kannen leer geworden. Mit dem letzten Trunke hatte Anastasius die seine nicht auf den Tisch gestellt, sondern hingelegt, so daß der letzte Tropfen heraus über die Tischplatte floß. Hinter diesem Tropfen kam aber noch etwas anderes aus dem Krug heraus: Ein langer Zug Kriegsmannen, nicht größer als ein Zeigefinger, aber ganz regelrecht in Wehr und Waffen; und hinter denen kamen berittene Reisige in schwerer Eisenrüstung und dann wieder Landsknechte mit Pfeifern und Trommlern voran. Und dann kamen die Feldschlangen verschiedener Größe, von starken Pferden gezogen, und dann wieder Soldaten zu Fuß und so fort ohne Unterlaß, daß sich der Tisch immer mehr und mehr füllte. Der Ritter hatte zuerst sprachlos auf das Wunder gestarrt, dann sagte er:

„Ei, guter Freund, ich sehe, Ihr versteht Euch ja auf recht unterhaltsame Künste! Es ist nur gut, daß Eure Krieger so klein sind, sonst könnte dieses Heer unsereinem wahrhaftig gefährlich werden!“

„Sind sie Euch zu klein?“ lachte Anastasius, „nun, da läßt sich Abhilfe schaffen!“ Er klatschte in die Hände und gleich begannen die Männlein zu wachsen: die, welche zuerst herausgekommen waren, rascher, die späteren langsamer; und wer einmal zwei Finger lang war, der sprang mit einem hellen Ruf hinunter auf die Bank und marschierte dort fröhlich weiter. Und ehe die ersten das Ende der Bank erreicht hatten, da waren sie schon so groß wie einjährige Kinder, dann sprangen sie auf den Boden und marschierten die Wände der Halle entlang, und ehe sie rundum wieder zu dem Tische kamen, da waren sie schon ganz ausgewachsene Menschen. Dort machten sie Halt, stellten sich in Reih und Glied und blickten alle auf Anastasius, als würden sie von ihm Befehle erwarten.

„Hahaha!“ lachte der Ritter verlegen, „was Ihr nicht alles für Kunststücke vermögt! Ich habe immer geglaubt, daß meine Burghalle da viel zu groß ist, nun wird sie bald zu klein werden für Eure Armee! Und wo sollen denn die Reiter und die Feldschlangen hin?“

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Rudolf Slawitschek: Anastasius Katzenschlucker, der große Zauberer. Vlg. des Deutschen Kulturverbandes, 1929, Seite 55. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Katzenschlucker.djvu/51&oldid=- (Version vom 21.5.2018)