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824 Methodenlehre II. Hauptst. III. Absch. 824

comparativ zureichend, wenn ich gar keine andere Bedingungen weis, unter denen der Zweck zu erreichen wäre; aber sie ist schlechthin und vor iederman zureichend, wenn ich gewiß weis: daß niemand andere Bedingungen kennen könne, die auf den vorgesezten Zweck führen. Im ersten Falle ist meine Voraussetzung und das Vorwahrhalten gewisser Bedingungen ein blos zufälliger, im zweiten Falle aber ein nothwendiger Glaube. Der Arzt muß bey einem Kranken, der in Gefahr ist, etwas thun, kent aber die Krankheit nicht. Er sieht auf die Erscheinungen und urtheilt, weil er nichts besseres weis, es sey die Schwindsucht. Sein Glaube ist selbst in seinem eigenen Urtheile blos zufällig, ein anderer möchte es vielleicht besser treffen. Ich nenne dergleichen zufälligen Glauben, der aber dem wirklichen Gebrauche der Mittel zu gewissen Handlungen zum Grunde liegt, den pragmatischen Glauben.

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 Der gewöhnliche Probierstein: ob etwas blosse Ueberredung, oder wenigstens subiective Ueberzeugung, d. i. festes Glauben sey, was iemand behauptet, ist das Wetten. Oefters spricht iemand seine Sätze mit so zuversichtlichem und unlenkbarem Trotze aus, daß er alle Besorgniß des Irrthums gänzlich abgelegt zu haben scheint. Eine Wette macht ihn stutzig. Bisweilen zeigt sich: daß er zwar Ueberredung genug, die auf einen Ducaten an Werth geschäzt werden kan, aber nicht auf zehn, besitze. Denn, den ersten wagt er noch wol, aber bey zehnen wird er

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Immanuel Kant: Critik der reinen Vernunft (1781). Johann Friedrich Hartknoch, Riga 1781, Seite 824. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kant_Critik_der_reinen_Vernunft_824.png&oldid=- (Version vom 18.8.2016)