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822 Methodenlehre II. Hauptst. III. Absch. 822

Ueberzeugung wirkt. Ueberredung kan ich vor mich behalten, wenn ich mich dabey wol befinde, kan sie aber und soll sie ausser mir nicht geltend machen wollen.

 Das Vorwahrhalten, oder die subiective Gültigkeit des Urtheils, in Beziehung auf die Ueberzeugung, (welche zugleich obiectiv gilt), hat folgende drey Stufen: Meinen, Glauben und Wissen. Meinen ist ein mit Bewustseyn so wol subiectiv, als obiectiv unzureichendes Vorwahrhalten. Ist das leztere nur subiectiv zureichend und wird zugleich vor obiectiv unzureichend gehalten, so heißt es Glauben. Endlich heißt das, so wol subiectiv als obiectiv zureichende Vorwahrhalten das Wissen. Die subiective Zulänglichkeit heißt Ueberzeugung (vor mich selbst), die obiective, Gewißheit (vor iederman). Ich werde mich bey der Erläuterung so faßlicher Begriffe nicht aufhalten.

 Ich darf mich niemals unterwinden, zu Meinen, ohne wenigstens etwas zu wissen, vermittelst dessen das an sich blos problematische Urtheil eine Verknüpfung mit Wahrheit bekomt, die, ob sie gleich nicht vollständig, doch mehr als willkührliche Erdichtung ist. Das Gesetz einer solchen Verknüpfung muß überdem gewiß seyn. Denn, wenn ich in Ansehung dessen auch nichts als Meinung habe, so ist alles nur Spiel der Einbildung, ohne die mindeste Beziehung auf Wahrheit. In Urtheilen aus reiner Vernunft ist es gar nicht erlaubt, zu meinen. Denn, weil sie nicht auf Erfahrungsgründe gestüzt werden,

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Immanuel Kant: Critik der reinen Vernunft (1781). Johann Friedrich Hartknoch, Riga 1781, Seite 822. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kant_Critik_der_reinen_Vernunft_822.png&oldid=- (Version vom 18.8.2016)