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808 Methodenlehre II. Hauptst. II. Absch. 808

können. Demnach haben die Principien der reinen Vernunft in ihrem practischen, namentlich aber, dem moralischen Gebrauche, obiective Realität.

 Ich nenne die Welt, so fern sie allen sittlichen Gesetzen gemäß wäre, (wie sie es denn, nach der Freiheit der vernünftigen Wesen, seyn kan und, nach den nothwendigen Gesetzen der Sittlichkeit, seyn soll) eine moralische Welt. Diese wird so fern blos als intelligibele Welt gedacht, weil darin von allen Bedingungen (Zwecken) und selbst von allen Hindernissen der Moralität in derselben (Schwäche, oder Unlauterkeit der menschlichen Natur) abstrahirt wird. So fern ist sie also eine blosse, aber doch practische Idee, die wirklich ihren Einfluß auf die Sinnenwelt haben kan und soll, um sie dieser Idee so viel als möglich gemäß zu machen. Die Idee einer moralischen Welt hat daher obiective Realität, nicht als wenn sie auf einen Gegenstand einer intelligibelen Anschauung ginge (dergleichen wir uns gar nicht denken können), sondern auf die Sinnenwelt, aber als einen Gegenstand der reinen Vernunft in ihrem practischen Gebrauche und ein corpus mysticum der vernünftigen Wesen in ihr, so fern deren freie Willkühr unter moralischen Gesetzen sowol mit sich selbst, als mit iedes anderen Freiheit durchgängige systematische Einheit an sich hat.

 Das war die Beantwortung der ersten von denen zwey Fragen der reinen Vernunft, die das practische Interesse betrafen: Thue das, wodurch du würdig wirst,

glück-
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Immanuel Kant: Critik der reinen Vernunft (1781). Johann Friedrich Hartknoch, Riga 1781, Seite 808. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kant_Critik_der_reinen_Vernunft_808.png&oldid=- (Version vom 18.8.2016)