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807 Vom Ideal des höchsten Guts. 807

 Ich nehme an: daß es wirklich reine moralische Gesetze gebe, die völlig a priori (ohne Rücksicht auf empirische Bewegungsgründe, d. i. Glückseligkeit) das Thun und Lassen, d. i. den Gebrauch der Freyheit eines vernünftigen Wesens überhaupt, bestimmen und daß diese Gesetze schlechterdings (nicht blos hypothetisch unter Voraussetzung anderer empirischen Zwecke) gebieten und also in aller Absicht nothwendig seyn. Diesen Satz kan ich mit Recht voraussetzen, nicht allein, indem ich mich auf die Beweise der aufgeklärtesten Moralisten, sondern auf das sittliche Urtheil eines ieden Menschen berufe, wenn er sich ein dergleichen Gesetz deutlich denken will.

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 Die reine Vernunft enthält also, zwar nicht in ihrem speculativen, aber doch in einem gewissen practischen, nemlich dem moralischen Gebrauche, Principien der Möglichkeit der Erfahrung, nemlich solcher Handlungen, die den sittlichen Vorschriften gemäß in der Geschichte des Menschen anzutreffen seyn könten. Denn, da sie gebietet, daß solche geschehen sollen, so müssen sie auch geschehen können und es muß also eine besondere Art von systematischer Einheit, nemlich die moralische, möglich seyn, indessen daß die systematische Natureinheit nach speculativen Principien der Vernunft nicht bewiesen werden konte, weil die Vernunft zwar in Ansehung der Freiheit überhaupt, aber nicht in Ansehung der gesamten Natur Caussalität hat und moralische Vernunftprincipien zwar freie Handlungen, aber nicht Naturgesetze hervorbringen

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Immanuel Kant: Critik der reinen Vernunft (1781). Johann Friedrich Hartknoch, Riga 1781, Seite 807. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kant_Critik_der_reinen_Vernunft_807.png&oldid=- (Version vom 18.8.2016)