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806 Methodenlehre II. Hauptst. II. Absch. 806

der Dinge ist. Jenes läuft zulezt auf den Schluß hinaus: daß etwas sey (was den lezten möglichen Zweck bestimt), weil etwas geschehen soll; dieses, daß etwas sey (was als oberste Ursache wirkt), weil etwas geschieht.

 Glückseligkeit ist die Befriedigung aller unserer Neigungen, (so wol extensive, der Mannigfaltigkeit derselben, als intensive, dem Grade, als auch protensive, der Dauer nach). Das practische Gesetz aus dem Bewegungsgrunde der Glückseligkeit nenne ich pragmatisch, (Klugheitsregel) dasienige aber, wofern ein solches ist, das zum Bewegungsgrunde nichts anderes hat, als die Würdigkeit, glücklich zu seyn, moralisch (Sittengesetz). Das erstere räth, was zu thun sey, wenn wir der Glückseligkeit wollen theilhaftig, das zweite gebietet, wie wir uns verhalten sollen, um nur der Glückseligkeit würdig zu werden. Das erstere gründet sich auf empirische Principien; denn anders, wie vermittelst der Erfahrung, kan ich weder wissen, welche Neigungen da sind, die befriedigt werden wollen, noch welches die Naturursachen sind, die ihre Befriedigung bewirken können. Das zweite abstrahirt von Neigungen und Naturmitteln, sie zu befriedigen und betrachtet nur die Freiheit eines vernünftigen Wesens überhaupt und die nothwendige Bedingungen, unter denen sie allein mit der Austheilung der Glückseligkeit nach Principien zusammenstimt, und kan also wenigstens auf blossen Ideen der reinen Vernunft beruhen und a priori erkant werden.

Ich
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Immanuel Kant: Critik der reinen Vernunft (1781). Johann Friedrich Hartknoch, Riga 1781, Seite 806. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kant_Critik_der_reinen_Vernunft_806.png&oldid=- (Version vom 18.8.2016)