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802 Methodenlehre II. Hauptst. I. Absch. 802

empirisch vorausgesezt werden kan, sondern selbst ein Problem vor die Vernunft ist, hier, als oben abgethan, bey Seite setze. Eine Willkühr nemlich ist blos thierisch (arbitrium brutum), die nicht anders als durch sinnliche Antriebe, d. i. pathologisch bestimt werden kan. Dieienige aber, welche unabhängig von sinnlichen Antrieben, mithin durch Bewegursachen, welche nur von der Vernunft vorgestellt werden, bestimmet werden kan, heißt die freie Willkühr (arbitrium liberum) und alles, was mit dieser, es sey als Grund, oder Folge zusammenhängt, wird Practisch genant. Die practische Freiheit kan durch Erfahrung bewiesen werden. Denn, nicht blos das, was reitzt, d. i. die Sinne unmittelbar afficirt, bestimt die menschliche Willkühr, sondern wir haben ein Vermögen durch Vorstellungen von dem, was selbst auf entfernete Art nützlich oder schädlich ist, die Eindrücke auf unser sinnliches Begehrungsvermögen zu überwinden; diese Ueberlegungen aber von dem, was in Ansehung unseres ganzen Zustandes begehrungswerth, d. i. gut und nützlich ist, beruhen auf der Vernunft. Diese giebt daher auch Gesetze, welche Imperativen, d. i. obiective Gesetze der Freiheit seyn und welche sagen, was geschehen soll, ob es gleich vielleicht nie geschieht und sich darin von Naturgesetzen, die nur von dem handeln, was geschieht, unterscheiden, weshalb sie auch practische Gesetze genant werden.

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Immanuel Kant: Critik der reinen Vernunft (1781). Johann Friedrich Hartknoch, Riga 1781, Seite 802. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kant_Critik_der_reinen_Vernunft_802.png&oldid=- (Version vom 18.8.2016)