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741 Die Disciplin der reinen Vernunft im polem. etc. 741

 Ein solcher Mißverstand kan aber nicht vorgewandt und dadurch der Streit der Vernunft beygelegt werden, wenn etwa theistisch behauptet würde: es ist ein höchstes Wesen und dagegen atheistisch: es ist kein höchstes Wesen, oder, in der Psychologie: alles was da denkt, ist von absoluter beharrlicher Einheit und also von aller vergänglichen materiellen Einheit unterschieden, welchem ein anderer entgegensezte: die Seele ist nicht immaterielle Einheit und kan von der Vergänglichkeit nicht ausgenommen werden. Denn der Gegenstand der Frage ist hier von allem fremdartigen, das seiner Natur widerspricht, frey und der Verstand hat es nur mit Sachen an sich selbst und nicht mit Erscheinungen zu thun. Es würde also hier freilich ein wahrer Widerstreit anzutreffen seyn, wenn nur die reine Vernunft auf der verneinenden Seite etwas zu sagen hätte, was dem Grunde einer Behauptung nahe käme; denn was die Critik der Beweisgründe des Dogmatischbeiahenden betrift, die kan man ihm sehr wol einräumen, ohne darum diese Sätze aufzugeben, die doch wenigstens das Interesse der Vernunft vor sich haben, darauf sich der Gegner gar nicht berufen kan.

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 Ich bin zwar nicht der Meinung, welche vortrefliche und nachdenkende Männer (z. B. Sulzer) so oft geäussert haben, da sie die Schwäche der bisherigen Beweise fühlten: daß man hoffen könne, man werde dereinst noch evidente Demonstrationen der zween Cardinalsätze unserer reinen Vernunft: es ist ein Gott, es ist ein künftiges Leben,

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Immanuel Kant: Critik der reinen Vernunft (1781). Johann Friedrich Hartknoch, Riga 1781, Seite 741. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kant_Critik_der_reinen_Vernunft_741.png&oldid=- (Version vom 18.8.2016)