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629 VI. Absch. Unmöglichkeit eines physicotheolog. etc. 629

Mittels bedient man sich also wol, über eine so weite Kluft zu kommen?

 Nachdem man bis zur Bewunderung der Grösse der Weisheit, der Macht etc. des Welturhebers gelanget ist und nicht weiter kommen kan, so verläßt man auf einmal dieses durch empirische Beweisgründe geführte Argument und geht zu der, gleich anfangs aus der Ordnung und Zweckmässigkeit der Welt geschlossenen Zufälligkeit derselben. Von dieser Zufälligkeit allein geht man nun, lediglich durch transscendentale Begriffe, zum Daseyn eines Schlechthinnothwendigen und von dem Begriffe der absoluten Nothwendigkeit der ersten Ursache auf den durchgängig bestimten, oder bestimmenden Begriff desselben, nemlich einer allbefassenden Realität. Also blieb der physischtheologische Beweis in seiner Unternehmung stecken, sprang in dieser Verlegenheit plötzlich zu dem cosmologischen Beweise über und, da dieser nur ein versteckter ontologischer Beweis ist, so vollführte er seine Absicht wirklich blos durch reine Vernunft, ob er gleich anfänglich alle Verwandschaft mit dieser abgeleugnet und alles auf einleuchtende Beweise aus Erfahrung ausgesezt hatte.

 Die Physicotheologen haben also gar nicht Ursache gegen die transscendentale Beweisart so spröde zu thun und auf sie mit dem Eigendünkel hellsehender Naturkenner, als auf das Spinnengewebe finsterer Grübler, herabzusehen. Denn, wenn sie sich nur selbst prüfen wolten, so würden sie finden: daß, nachdem sie eine gute Strecke auf dem

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Immanuel Kant: Critik der reinen Vernunft (1781). Johann Friedrich Hartknoch, Riga 1781, Seite 629. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kant_Critik_der_reinen_Vernunft_629.png&oldid=- (Version vom 18.8.2016)