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464 Elementarl. II. Th. II. Abth. II. Buch. II. Hauptst. 464

Menschheit keine Befriedigung verschaffen. Selbst die eigentliche Würde der Mathematik (diesem Stolze der menschlichen Vernunft) beruhet darauf: daß, da sie der Vernunft die Leitung giebt, die Natur im Grossen sowol als im Kleinen in ihrer Ordnung und Regelmäßigkeit, imgleichen in der bewundernswürdigen Einheit der sie bewegenden Kräfte, weit über alle Erwartung der auf gemeine Erfahrung bauenden Philosophie einzusehen, sie dadurch selbst zu dem über alle Erfahrung erweiterten Gebrauch der Vernunft, Anlaß und Aufmunterung giebt, imgleichen die damit beschäftigte Weltweisheit mit den vortreflichsten Materialien versorgt, ihre Nachforschung, so viel deren Beschaffenheit es erlaubt, durch angemessene Anschauungen zu unterstützen.

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 Unglücklicher Weise vor die Speculation (vielleicht aber zum Glück vor die practische Bestimmung des Menschen) siehet sich die Vernunft, mitten unter ihren grössesten Erwartungen, in einem Gedränge von Gründen und Gegengründen so befangen, daß, da es sowol ihrer Ehre, als auch sogar ihrer Sicherheit wegen nicht thunlich ist, sich zurück zu ziehen, und diesem Zwist als einem blossen Spielgefechte gleichgültig zuzusehen, noch weniger schlechthin Friede zu gebieten, weil der Gegenstand des Streits sehr interessirt, ihr nichts weiter übrig bleibt, als über den Ursprung dieser Veruneinigung der Vernunft mit sich selbst nachzusinnen, ob nicht etwa ein blosser Mißverstand daran Schuld sey, nach dessen Erörterung zwar

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Immanuel Kant: Critik der reinen Vernunft (1781). Johann Friedrich Hartknoch, Riga 1781, Seite 464. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kant_Critik_der_reinen_Vernunft_464.png&oldid=- (Version vom 18.8.2016)