Seite:Kant Critik der reinen Vernunft 460.png

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

(seines Zustandes) ist zu einer andern Zeit wirklich, mithin auch möglich, mithin ist dieses nicht das contradictorische Gegentheil des vorigen Zustandes, wozu erfodert wird, daß in derselben Zeit, da der vorige Zustand war, an die Stelle desselben sein Gegentheil hätte seyn können, welches aus der Veränderung gar nicht geschlossen werden kan. Ein Cörper, der in Bewegung war = A, kömt in Ruhe = non A. Daraus nun, daß ein entgegengesezter Zustand vom Zustande A auf diesen folgt, kan gar nicht geschlossen werden, daß das contradictorische Gegentheil von A möglich, mithin A zufällig sey; denn dazu würde erfordert werden, daß in derselben Zeit, da die Bewegung war, anstatt derselben die Ruhe habe seyn können. Nun wissen wir nichts weiter, als daß die Ruhe in der folgenden Zeit wirklich, mithin auch möglich war. Bewegung aber zu einer Zeit, und Ruhe zu einer anderen Zeit sind einander nicht contradictorisch entgegengesezt. Also beweiset die Succession entgegengesezter Bestimmungen, d. i. die Veränderung, keinesweges die Zufälligkeit nach Begriffen des reinen Verstandes, und kan also auch nicht auf das Daseyn eines nothwendigen Wesens nach reinen Verstandesbegriffen, führen. Die Veränderung beweiset nur die empirische Zufälligkeit, d. i. daß der neue Zustand vor sich selbst, ohne eine Ursache, die zur vorigen Zeit gehört, gar nicht hätte statt finden können, zu Folge dem Gesetze der Caussalität. Diese Ursache, und wenn sie auch als schlechthin nothwendig angenommen wird, muß auf diese Art doch in der Zeit angetroffen werden, und zur Reihe der Erscheinungen gehören.


Der
Empfohlene Zitierweise:
Immanuel Kant: Critik der reinen Vernunft (1781). Johann Friedrich Hartknoch, Riga 1781, Seite 460. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kant_Critik_der_reinen_Vernunft_460.png&oldid=- (Version vom 18.8.2016)