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und selbst die Möglichkeit einer Veränderung überhaupt muß euch anstössig werden. Denn, wenn ihr nicht durch Erfahrung fändet, daß sie wirklich ist, so würdet ihr niemals a priori ersinnen können, wie eine solche unaufhörliche Folge von Seyn und Nichtseyn möglich sey.

 Wenn auch indessen allenfalls ein transscendentales Vermögen der Freiheit nachgegeben wird, um die Weltveränderungen anzufangen, so würde dieses Vermögen doch wenigstens nur ausserhalb der Welt seyn müssen, (wiewol es immer eine kühne Anmassung bleibt, ausserhalb dem Inbegriffe aller möglichen Anschauungen, noch einen Gegenstand anzunehmen, der in keiner möglichen Wahrnehmung gegeben werden kan). Allein, in der Welt selbst, den Substanzen ein solches Vermögen beyzumessen, kan nimmermehr erlaubt seyn, weil alsdenn der Zusammenhang nach allgemeinen Gesetzen sich einander nothwendig bestimmender Erscheinungen, den man Natur nent, und mit ihm das Merkmal empirischer Wahrheit, welches Erfahrung vom Traum unterscheidet, größtentheils verschwinden würde. Denn es läßt sich neben einem solchen gesetzlosen Vermögen der Freiheit, kaum mehr Natur denken; weil die Gesetze der lezteren durch die Einflüsse der ersteren, unaufhörlich abgeändert, und das Spiel der Erscheinungen, welches nach der blossen Natur regelmässig und gleichförmig seyn würde, dadurch verwirret und unzusammenhängend gemacht wird.



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Immanuel Kant: Critik der reinen Vernunft (1781). Johann Friedrich Hartknoch, Riga 1781, Seite 451. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kant_Critik_der_reinen_Vernunft_451.png&oldid=- (Version vom 18.8.2016)