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423 II. Absch. Die Antithetik der reinen Vernunft. 423

gewiß unterliegt, der blos vertheidigungsweise zu führen genöthigt ist. Daher auch rüstige Ritter, sie mögen sich vor die gute oder schlimme Sache verbürgen, sicher sind, den Siegeskranz davon zu tragen, wenn sie nur davor sorgen: daß sie den lezten Angriff zu thun das Vorrecht haben, und nicht verbunden sind, einen neuen Anfall des Gegners auszuhalten. Man kan sich leicht vorstellen: daß dieser Tummelplatz von ieher oft genug betreten worden, daß viel Siege von beiden Seiten erfochten, vor den lezten aber, der die Sache entschied, iederzeit so gesorgt worden sey, daß der Verfechter der guten Sache den Platz allein behielte, dadurch, daß seinem Gegner verboten wurde, fernerhin Waffen in die Hände zu nehmen. Als unpartheyische Kampfrichter müssen wir es ganz bey Seite setzen, ob es die gute oder die schlimme Sache sey, um welche die Streitende fechten, und sie ihre Sache erst unter sich ausmachen lassen. Vielleicht daß, nachdem sie einander mehr ermüdet als geschadet haben, sie die Nichtigkeit ihres Streithandels von selbst einsehen und als gute Freunde auseinander gehen.

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 Diese Methode, einem Streite der Behauptungen zuzusehen, oder vielmehr ihn selbst zu veranlassen, nicht, um endlich zum Vortheile des einen oder des andern Theils zu entscheiden, sondern um zu untersuchen, ob der Gegenstand desselben nicht vielleicht ein blosses Blendwerk sey, wornach ieder vergeblich haschet und bey welchem er

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Immanuel Kant: Critik der reinen Vernunft (1781). Johann Friedrich Hartknoch, Riga 1781, Seite 423. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kant_Critik_der_reinen_Vernunft_423.png&oldid=- (Version vom 18.8.2016)