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421 II. Absch. Die Antithetik der reinen Vernunft. 421

Die Antithetik beschäftigt sich also gar nicht mit einseitigen Behauptungen, sondern betrachtet allgemeine Erkentnisse der Vernunft nur nach dem Widerstreite derselben unter einander und den Ursachen desselben. Die transscendentale Antithetik ist eine Untersuchung über die Antinomie der reinen Vernunft, die Ursachen und das Resultat derselben. Wenn wir unsere Vernunft nicht blos, zum Gebrauch der Verstandesgrundsätze, auf Gegenstände der Erfahrung verwenden, sondern iene über die Gränze der lezteren hinaus, auszudehnen wagen, so entspringen vernünftelnde Lehrsätze, die in der Erfahrung weder Bestätigung hoffen, noch Widerlegung fürchten dürfen, und deren ieder nicht allein an sich selbst ohne Widerspruch ist, sondern so gar in der Natur der Vernunft Bedingungen seiner Nothwendigkeit antrift, nur daß unglücklicher Weise der Gegensatz eben so gültige und nothwendige Gründe der Behauptung auf seiner Seite hat.

 Die Fragen, welche bey einer solchen Dialectik der reinen Vernunft sich natürlich darbieten, sind also 1. Bey welchen Sätzen denn eigentlich die reine Vernunft einer Antinomie unausbleiblich unterworfen sey. 2. Auf welchen Ursachen diese Antinomie beruhe. 3. Ob und auf welche Art dennoch der Vernunft unter diesem Widerspruch ein Weg zur Gewißheit offen bleibe.

 Ein dialectischer Lehrsatz der reinen Vernunft muß demnach dieses, ihn von allen sophistischen Sätzen unterscheidendes

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Immanuel Kant: Critik der reinen Vernunft (1781). Johann Friedrich Hartknoch, Riga 1781, Seite 421. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kant_Critik_der_reinen_Vernunft_421.png&oldid=- (Version vom 18.8.2016)