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416 Elementarl. II. Th. II. Abth. II. Buch. II. Hauptst. 416

 Zuerst ist hiebey anzumerken: daß die Idee der absoluten Totalität nichts anders, als die Exposition der Erscheinungen betreffe, mithin nicht den reinen Verstandesbegriff von einem Ganzen der Dinge überhaupt. Es werden hier also Erscheinungen als gegeben betrachtet, und die Vernunft fodert die absolute Vollständigkeit der Bedingungen ihrer Möglichkeit, so fern diese eine Reihe ausmachen, mithin eine schlechthin (d. i. in aller Absicht) vollständige Synthesis, wodurch die Erscheinung nach Verstandesgesetzen exponirt werden könne.

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 Zweitens ist es eigentlich nur das Unbedingte, was die Vernunft, in dieser, reihenweise, und zwar regressiv fortgesezten Synthesis der Bedingungen, sucht, gleichsam die Vollständigkeit in der Reihe der Prämissen, die zusammen weiter keine andere voraussetzen. Dieses Unbedingte ist nun iederzeit in der absoluten Totalität der Reihe, wenn man sie sich in der Einbildung vorstellt, enthalten. Allein diese schlechthin vollendete Synthesis ist wiederum nur eine Idee; denn man kan, wenigstens zum voraus, nicht wissen, ob eine solche bey Erscheinungen auch möglich sey. Wenn man sich alles durch blosse reine Verstandesbegriffe, ohne Bedingungen der sinnlichen Anschauung, vorstellt, so kan man geradezu sagen: daß zu einem gegebenen Bedingten auch die ganze Reihe einander subordinirter Bedingungen gegeben sey; denn ienes ist allein durch diese gegeben. Allein bey Erscheinungen ist eine besondere Einschränkung der Art, wie Bedingungen gegeben werden,

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Immanuel Kant: Critik der reinen Vernunft (1781). Johann Friedrich Hartknoch, Riga 1781, Seite 416. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kant_Critik_der_reinen_Vernunft_416.png&oldid=- (Version vom 18.8.2016)