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352 Elementarl. II. Th. II. Abth. II. Buch. 352

Substanzen entspringt, möglich, wenn diese Wirkung blos äusserlich ist (wie z. B. die Bewegung eines Cörpers die vereinigte Bewegung aller seiner Theile ist). Allein mit Gedanken, als innerlich zu einem denkenden Wesen gehörigen Accidenzen, ist es anders beschaffen. Denn, setzet, das Zusammengesezte dächte: so würde ein ieder Theil desselben einen Theil des Gedanken, alle aber zusammengenommen allererst den ganzen Gedanken enthalten. Nun ist dieses aber widersprechend. Denn, weil die Vorstellungen, die unter verschiedenen Wesen vertheilt sind, (z. B. die einzelne Wörter eines Verses) niemals einen ganzen Gedanken (einen Vers) ausmachen: so kan der Gedanke nicht einem Zusammengesezten, als einem solchen, inhäriren. Er ist also nur in einer Substanz möglich, die nicht ein Aggregat von vielen, mithin schlechterdings einfach ist[1].

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 Der so genante neruus probandi dieses Arguments liegt in dem Satze: daß viele Vorstellungen in der absoluten Einheit des denkenden Subiects enthalten seyn müssen, um einen Gedanken auszumachen. Diesen Satz aber kan niemand aus Begriffen beweisen. Denn, wie wollte er es wol anfangen, um dieses zu leisten? Der

Satz:

  1. Es ist sehr leicht, diesem Beweise die gewöhnliche schulgerechte Abgemessenheit der Einkleidung zu geben. Allein es ist zu meinem Zwecke schon hinreichend, den blossen Beweißgrund, allenfalls auf populäre Art, vor Augen zu legen.
Empfohlene Zitierweise:
Immanuel Kant: Critik der reinen Vernunft (1781). Johann Friedrich Hartknoch, Riga 1781, Seite 352. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kant_Critik_der_reinen_Vernunft_352.png&oldid=- (Version vom 18.8.2016)