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328 Elementarl. II. Th. II. Abth. I. Buch. 328

eigentlich die ganze Absicht ist, und die Annäherung zu einem Begriffe, der aber in der Ausübung doch niemals erreicht wird, eben so viel ist, als ob der Begriff ganz und gar verfehlet würde, so heißt es von einem dergleichen Begriffe: er ist nur eine Idee. So würde man sagen können: das absolute Ganze aller Erscheinungen ist nur eine Idee, denn, da wir dergleichen niemals im Bilde entwerfen können, so bleibt es ein Problem ohne alle Auflösung. Dagegen, weil es im practischen Gebrauch des Verstandes ganz allein um die Ausübung nach Regeln zu thun ist, so kan die Idee der practischen Vernunft iederzeit wirklich, ob zwar nur zum Theil, in concreto gegeben werden, ia sie ist die unentbehrliche Bedingung iedes practischen Gebrauchs der Vernunft. Ihre Ausübung ist iederzeit begränzt und mangelhaft, aber unter nicht bestimbaren Gränzen, also iederzeit unter dem Einflusse des Begriffs einer absoluten Vollständigkeit. Demnach ist die practische Idee iederzeit höchst fruchtbar und in Ansehung der wirklichen Handlungen unumgänglich nothwendig. In ihr hat die reine Vernunft sogar Caussalität, das wirklich hervorzubringen, was ihr Begriff enthält, daher kan man von der Weisheit nicht gleichsam geringschätzig sagen: sie ist nur eine Idee, sondern eben darum, weil sie die Idee von der nothwendigen Einheit aller möglichen Zwecke ist, so muß sie allem Practischen als ursprüngliche, zum wenigsten einschränkende, Bedingung zur Regel dienen.

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Immanuel Kant: Critik der reinen Vernunft (1781). Johann Friedrich Hartknoch, Riga 1781, Seite 328. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kant_Critik_der_reinen_Vernunft_328.png&oldid=- (Version vom 18.8.2016)