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303 Einleitung. 303
B.
Vom logischen Gebrauche der Vernunft.

 Man macht einen Unterschied zwischen dem, was unmittelbar erkant, und dem, was nur geschlossen wird. Daß in einer Figur, die durch drey gerade Linien begränzt ist, drey Winkel sind, wird unmittelbar erkant, daß diese Winkel aber zusammen zween rechten gleich sind, ist nur geschlossen. Weil wir des Schliessens beständig bedürfen und es dadurch endlich ganz gewohnt werden, so bemerken wir zuletzt diesen Unterschied nicht mehr, und halten oft, wie bey dem sogenanten Betruge der Sinne, etwas vor unmittelbar wahrgenommen, was wir doch nur geschlossen haben. Bey iedem Schlusse ist ein Satz, der zum Grunde liegt, ein andrer, nemlich die Folgerung die aus ienem gezogen wird[WS 1], endlich die Schlußfolge (Consequenz), nach welcher die Wahrheit des lezteren unausbleiblich mit der Wahrheit des ersteren verknüpft ist. Liegt das geschlossene Urtheil schon so in dem ersten, daß es ohne Vermittelung einer dritten Vorstellung daraus abgeleitet werden kan, so heißt der Schluß unmittelbar (consequentia immediata); ich möchte ihn lieber den Verstandesschluß nennen. Ist aber, ausser der zum Grunde gelegten Erkentniß, noch ein anderes Urtheil nöthig, um die Folge zu bewirken, so heißt der Schluß ein Vernunftschluß. In dem Satze: alle Menschen sind sterblich, liegen schon die Sätze: einige Menschen sind sterblich, oder: einige Sterbliche sind Menschen, oder: nichts, was unsterblich ist, ist

ein

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: wir
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Immanuel Kant: Critik der reinen Vernunft (1781). Johann Friedrich Hartknoch, Riga 1781, Seite 303. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kant_Critik_der_reinen_Vernunft_303.png&oldid=- (Version vom 18.8.2016)