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188 Elementarl. II. Th. I. Abth. II.Buch. II. Hauptst. 188

 Veränderung kan daher nur an Substanzen wahrgenommen werden, und das Entstehen oder Vergehen, schlechthin, ohne daß es blos eine Bestimmung des Beharrlichen betreffe, kan gar keine mögliche Wahrnehmung seyn, weil eben dieses Beharrliche die Vorstellung von dem Uebergange aus einem Zustande in den andern, und von Nichtseyn, zum Seyn, möglich macht, die also nur als wechselnde Bestimmungen dessen, was bleibt, empirisch erkant werden können. Nehmet an, daß etwas schlechthin anfange zu seyn; so müßt ihr einen Zeitpunct haben, indem es nicht war. Woran wollt ihr aber diesen heften, wenn nicht an demienigen, was schon da ist? Denn eine leere Zeit, die vorherginge, ist kein Gegenstand der Wahrnehmung; knüpft ihr dieses Entstehen aber an Dinge, die vorher waren, und bis zu dem, was entsteht, fortdauren, so war das leztere nur eine Bestimmung des ersteren, als des Beharrlichen. Eben so ist es auch mit dem Vergehen: denn dieses sezt die empirische Vorstellung einer Zeit voraus, da eine Erscheinung nicht mehr ist.

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 Substanzen (in der Erscheinung) sind die Substrate aller Zeitbestimmungen. Das Entstehen einiger, und das Vergehen anderer derselben würde selbst die einzige Bedingung der empirischen Einheit der Zeit aufheben, und die Erscheinungen würden sich alsdenn auf zweyerley Zeit beziehen, in denen neben einander das Daseyn verflösse, welches ungereimt ist. Denn es ist nur eine Zeit, in

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Immanuel Kant: Critik der reinen Vernunft (1781). Johann Friedrich Hartknoch, Riga 1781, Seite 188. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kant_Critik_der_reinen_Vernunft_188.png&oldid=- (Version vom 18.8.2016)