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Voltaire: Kandide. Erster Theil

sind nun einmal hier so. Denken Sie sich alle mögliche Widersprüche, alle möglichen Ungereimtheiten in Eine Masse zusammengeknätet, so haben Sie die Regierungsform, die Gerichtshöfe, die Kirchen, die Schauspiele dieser drollichten Nation.

Ist es wahr, daß man zu Paris beständig lacht? frug Kandide. Das thut man, sagte der Abee, es ist aber eine bittre Lache, die Lache kochender Wut; man bringt dort die herzschneidendsten Klagen mit der schallendsten Lache hervor, ja verrichtet sogar die abscheulichsten Handlungen mit lachendem Munde.

Wer war denn das dikke Schwein, sagte Kandide, das auf ein Stük lästerte, worin ich so geweint habe, und auf Schauspieler, die mir so gefallen hatten? „Ein elender hungerleiderscher Tukmäuser, der um ein Paar Bissen Brod zu verdienen, alle Stükke und alle Bücher herunterlästert; jeden emporkommenden Schriftsteller hasst, wie der Verschnittne den vollglüklichen Liebhaber; eins von jenen Litteraturinsekten, die sich blos von Kot und Gift und Geifer nähren; ein gallsüchtiger Neidhart.“ Ein gallsüchtiger Neidhart? sagte Kandide. „I ja! So ein Flugblätler, ein Freron.“[1]


  1. Freron. Der berüchtigte Journalist und Antagonist Voltär’s. den Leztrer unter dem Namen Frelou in seiner Ecossaise bekanntermaassen dem Volke zur Verhöhnung und Verachtung Preis gegeben, indem er alle seine schändliche Blösse aufdekte. Eine ähnliche Züchtigung würde dem Freron unserer Nation sehr heilsam sein
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Voltaire: Kandide. Erster Theil. Berlin: Christian Friedrich Himburg. 1782, Seite 132. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kandide_(Voltaire)_132.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)