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Voltaire: Kandide. Erster Theil

und da der Büttel sein Amt verwaltete, wurden den Damen Erfrischungen vorgesezt.

Wie kalt fuhr mir’s über den Nakken, als ich die beiden Juden und den ehrlichen Biskajer verbrennen sahe, der seine Gevatterin geheuratet hatte. Das war aber nichts gegen den Schauer und Schrek, der mich ergrif, als ich unter einem Sanbenito und Schandmüze eine Figur gewahr ward, die dem Panglos so ähnlich sahe. Ich rieb mir die Augen, sahe stier und starr nach dem Manne hin; es war und blieb Panglos. Ich sah’ ihn aufhängen und fiel in Ohnmacht.

Kaum hatten sich meine Sinne wieder ein wenig gesammlet, so erblikt’ ich Sie, Kandide, ganz splitterfadennakt da stehn. Nun war der Kelch meiner Leiden voll; ich war nunmehr ganz ein Raub des Entsetzens und der Verzweiflung.

Im Vorbeigehn gesagt, Kandide, und zur Steuer der Wahrheit, Ihre Haut ist viel weisser, als meines Bulgarischen Hauptmanns seine, hat ein weit höhers, feiners Rot. O! wie bei diesem Anblik mein Jammer und meine Verzweiflung stieg, die in meinem Innern auf’s grausamste wüteten! Ich schrie, wollte sagen: Haltet ein, ihr Barbaren! Das vermochte aber meine Zunge nicht; und was hätt’ es auch geholfen?

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Voltaire: Kandide. Erster Theil. Berlin: Christian Friedrich Himburg. 1782, Seite 41. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kandide_(Voltaire)_041.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)