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Voltaire: Kandide. Erster Theil

durch heftig; ganz erstarrt schlich Kandide mit dämmerndem Morgen nach einer benachbarten Stadt. Sterbensmatt vor Hunger und Strapaze, nicht einen Heller Geld bei sich, macht’ er vor der Thür eines Wirthshauses höchst betrübt Halte.

Zwei Blaurökke wurden ihn gewahr. Ha! ein hübscher Kerl, Herr Bruder! sagte der eine. Wie’n Rohr gewachsen! Just so gros wie wir’n brauchen! Sie gingen auf Kandiden los und baten ihn sehr höflich zu Mittag mit ihnen zu speisen. Ich finde mich ungemein durch Ihre Einladung beehrt, meine Herren, sagte Kandide mit einem bescheidnen Ton, der gleich seine Nation verriet, allein ich habe kein Geld, kann meine Zeche nicht zahlen. Ach! was Geld! was Zeche zahlen! sagte einer von den Männern, das haben solche wohlgewachsne, artige junge Herrn, wie Sie, nicht nötig. Sie messen sechs Zoll? Die mess’ ich, meine Herren, sagte er mit einer Verbeugung. „Hurtig, mein Herr! zu Tische. Wir zahlen nicht allein die Zeche für Sie, wir werden auch sorgen, daß es einem Manne, wie Sie, nie an Gelde fehlt. Wozu sind die Menschen in der Welt, als einander beizustehn, unter die Arme zu greifen?“

Wohl wahr! sagte Kandide, so hat mich der Herr Magister Panglos immer gelehrt,

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Voltaire: Kandide. Erster Theil. Berlin: Christian Friedrich Himburg. 1782, Seite 9. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kandide_(Voltaire)_009.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)